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Archivzentrum – Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg
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Glückwünsche zum 80. und 82. Geburtstages Moritz Horkheimers

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Signatur

Nachlass Max Horkheimer Na 1, Aud 1

Urheber

Maidon und Max Horkheimer

Datierung

1938 / 1940

Material

Tonband / Schallplatte

Objekt-Schaufenster

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Glückwünsche zum 80. und 82. Geburtstages Moritz Horkheimers

© Archivzentrum, Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg

Glückwünsche aus der Kaktusnadel

von Theresa Gessler

„Lieber Vater, du und die liebe Mutter ihr beide habt den Wunsch meine Stimme zu hören“ – und genauso geht es dem Hörer, bei der ältesten Aufnahme des Tonarchivs der Frankfurter Schule im Archivzentrum der Frankfurter Universitätsbibliothek. Zum achtzigsten und zweiundachtzigsten Geburtstag nahm Max Horkheimer (1895–1973) mit seiner Frau Maidon, kurz nach der Emigration in die USA, für seinen noch in Deutschland befindlichen Vater eine Platte auf. Die Platte selbst wird zwar archiviert, ist heute aber nicht mehr abspielbar – schon als sie in das Archivzentrum gelangte, war sie mit dem Abspielhinweis „Keine Metallnadeln benutzen, nur für Holz- oder Kaktusnadel“ versehen. Heute ist die vormals von der Platte gesicherte Information digital auf den Rechnern des Archivzentrums sowie im Langzeitarchiv der Universitätsbibliothek gespeichert. Max und Maidon Horkheimer sprechen so nur über Kopfhörer eines Computers im Archivzentrum zum Besucher.

Die Glückwünsche Horkheimers an seinen Vater haben also eine doppelte Geschichte, einmal die als materielles Objekt und einmal die als Information. Die Frankfurter Sammlung konzentriert sich auch auf Grund mangelnder Alternativen und zum Schutz des Materials auf letzteres und ließ die Audiodaten digitalisieren. Daher ist das, was der Nutzer über die Datenbank des Tonarchivs abrufen kann, bereits die Digitalisierung eines Tonbands, auf das die beiden nicht mehr abspielbaren Originalplatten überspielt wurden – gewissermaßen die Übersetzung der Übersetzung. Der erste Glückwunsch beinhaltet keine Ortsangabe, der zweite wurde in den Rocky Mountains aufgenommen, die Max Horkheimer voller Faszination beschreibt. Vermutlich kamen die Platten per Post nach Deutschland, wurden von dem Frankfurter Philosophieprofessor und Horkheimer-Spezialisten Gunzelin Schmid Noerr (*1947) gefunden und dem Nachlass Max Horkheimers beigelegt, der 1974 an die Stadt- und Universitätsbibliothek übergeben wurde.

Was über die Jahre trotz Alterserscheinungen und Übersetzung in ein neues Medium gleich blieb, ist die Botschaft: Für den Hörer sind die Worte Maidon und Max Horkheimers ein Zeugnis des Verhältnis der beiden zu Max Horkheimers Vater. Beide betonen die Hoffnung auf ein baldiges Wiedersehen, Max Horkheimer die Rolle des Vaters für die eigene Entwicklung. Allein das Bespielen der Schallplatte war sicherlich etwas ganz besonderes: Erst ab den 1930er Jahren war ein Selbstschneiden, anfangs noch ohne Nachbehandlung zur Haltbarmachung, möglich. So kommt es, dass Max Horkheimer am Ende des ersten Grußes nach seiner Frau nochmals für 14 Sekunden das Wort übernimmt, um keine Sekunde zu vergeuden – die Gesamtspielzeit beträgt nur etwa zwei bzw. drei Minuten.

Aufgrund der Kürze der Aufnahme scheint die Schallplatte für die Forschung wenig preiszugeben. Trotzdem kann man auch auf beiden Platten Einblicke in die Herausforderungen des Exillebens der beiden gewinnen: Wie Maidon versucht mit „Happy Birthday to you“ auch auf Englisch zu gratulieren und wie sie die Rocky Mountains mit der Schweiz vergleichen. Obwohl die Botschaft nur abgelesen ist, vermittelt das gesprochene Wort eine besondere Authentizität, die umso beeindruckender ist, als nur wenig über Horkheimers Privatleben erhalten ist. Trotz seiner scheinbaren Beiläufigkeit ist dieses nur im Archivzentrum vorhandene Dokument also – zumal im Vergleich mit anderen Aufnahmen – ein wichtiges biographisches und technikhistorisches Zeugnis.

Theresa Gessler war im Sommersemester 2012 Studentin der Soziologie. Der Text entstand im Rahmen einer Lehrveranstaltung der Studiengruppe „sammeln, ordnen, darstellen“.

Literatur

Max Horkheimer: Biographische Angaben; http://www.ub.uni-frankfurt.de/archive/horkheimer_vita.html

Andreas Weisser: Audio- und Videobänder: Geschichte, Aufbau und Archivierung, Forum Bestandserhaltung, Uni Münster: http://www.uni-muenster.de/Forum-Bestandserhaltung/kons-restaurierung/weisser.html

Hartmut Böhrenz: Grundsätze bei der Konservierung von bibliothekarischem Sammelgut; Forum Bestanderhaltung; http://www.uni-muenster.de/Forum-Bestandserhaltung/kons-restaurierung/gs-boerenz.html

Martin Jay: The Dialectical Imagination: A History of the Frankfurt School and the Institute of Social Research, 1920–1950, Berkeley, CA: University of California Press 1996.

Schweizer Nationalphonothek: Behandlung von Tonträgern, http://www.fonoteca.ch/yellow/handling_de.htm

Rolf Wiggershaus: Max Horkheimer zur Einführung. Hamburg 1998.

Rolf Wiggershaus: Die Frankfurter Schule. Geschichte, Theoretische Entwicklung, Politische Bedeutung. München u. a. 1986.

IMPRESSUM


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Wir freuen uns über Ihre Email an: sammlungen[at]uni-frankfurt.de

Konzept, Entwicklung und Herausgabe der Plattform

Dr. Judith Blume (heute: Koordinatorin der Sammlungen an der Goethe-Universität)
Dr. Vera Hierholzer (bis 2018; heute: Direktorin des Museums für Industriekultur in Osnabrück)
Dr. Lisa Regazzoni (bis 2020; heute: Professur für Theorie der Geschichte an der Universität Bielefeld)

Betreuung der Plattform

Dr. Judith Blume
Koordinatorin der Sammlungen an der Goethe-Universität
Universitätsbibliothek J.C. Senckenberg
Bockenheimer Landstraße 134-138
60325 Frankfurt/Main
Tel: 0049-(0)69-798-39197
J.Blume [at] ub.uni-frankfurt.de

Programmierung

Sven Winnefeld
www.winkin-verlag.de

Design

FGS Kommunikation – Steffen Grzybek, Martin Schulz GbR
www.fgs-kommunikation.de

Developed By

Jatinkumar Nakrani
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Entstehungskontext

Die Plattform wurde von der Studiengruppe "sammeln, ordnen, darstellen" am Forschungszentrum für Historische Geisteswissenschaften entwickelt und im Rahmen der Jubiläumsfeierlichkeiten der Goethe-Universität im Jahr 2014 eröffnet. Ihr Aufbau war eng mit der Ausstellung „Ich sehe wunderbare Dinge. 100 Jahre Sammlungen der Goethe-Universität“ verknüpft, die von Oktober 2014 bis Februar 2015 im Museum Giersch der Goethe-Universität zu sehen war. Viele der Objekterzählungen waren auch in der Ausstellung zu lesen und sind im Katalog abgedruckt worden; viele Ausstellungstexte haben wiederum den Weg in die Plattform gefunden. Ebenso wurden die auf der Plattform gezeigten Filme sowie viele der Fotografien eigens für die Ausstellung produziert.

Leitung der Studiengruppe "sammeln, ordnen, darstellen"

Dr. Judith Blume
Dr. Vera Hierholzer (bis 2018)
Dr. Lisa Regazzoni (bis 2020)

Team der Jubiläumsausstellung

Dr. Charlotte Trümpler (Projektleitung und Kuratorin; Autorenkürzel: CT)
Dr. Judith Blume (Kuratorin, Autorenkürzel: JB)
Dr. Vera Hierholzer (Kuratorin, Autorenkürzel: VH)
Dr. Lisa Regazzoni (wissenschaftliche Mitarbeit, Autorenkürzel: LR)

Fotografien

Die Fotografien wurden von den einzelnen Sammlungen oder Autoren zur Verfügung gestellt sowie von Tom Stern (Sammlungsräume und Objekte), Uwe Dettmar (Objekte) und Jürgen Lechner (Objekte) angefertigt. Die Nachweise finden Sie bei den entsprechenden Abbildungen. Sollte trotz sorgfältiger Recherche ein Rechteinhaber oder Fotograf nicht genannt sein, bitten wir um einen entsprechenden Hinweis.

Filmproduktion

Sophie Edschmidt (Regie und Schnitt)
Philipp Kehm (Kamera)
Philipp Gebbe (Musik)
Dr. Charlotte Trümpler (Idee und Beratung)


Finanzierung


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