Oberer rechter Molar (Backenzahn) der Duboisia santeng

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Signatur

SMF/PA/F4726 (Koenigswald-Sammlung)

Datierung

730.000 – 130.000 Jahre (Mittelpleistozän)

Maße

L 15,5 mm (geschätzter Wert), B 19,37 mm, H 26,73 mm

Material

Enamelum (Zahnschmelz), Dentin, Pulpa (Zahnhöhle), Cementum (Zahnwurzel)

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Oberer rechter Molar (Backenzahn) der Duboisia santeng

© Janine Trippel, Frankfurt a. M.

Zahnlandschaften

von Janine Trippel

Satte, grüne Wiesen mit hohem, sich im Wind wiegendem Gras bedecken eine flache Hügellandschaft, die immer wieder von dichtem Urwald durchbrochen wird. In den Wäldern gibt es Sträucher, Blätter, Bäume, Rinde und Früchte.

In etwa so kann eine Beschreibung der Landschaft und Nahrung ausfallen, die man anhand des oberen rechten Molars (Backenzahn) einer längst ausgestorbenen Antilopenart mithilfe von technischen Untersuchungsmethoden rekonstruieren kann. Wir befinden uns auf Java, einer Insel im indischen Ozean des heutigen Indonesiens, in einer Zeit, die Mittelpleistozän genannt wird und circa 780.000 bis 130.000 Jahre zurück liegt. Inmitten dieser ganz mit Wasser umschlossenen Landschaft lebte die Antilopenart, die heute als „Duboisia santeng“ bezeichnet wird. Sie ist nach ihrem Entdecker, dem niederländischen Paläontologen Eugène Dubois (1858–1940) benannt, der im Jahr 1891 als erster Forscher einen Schädel des schon gegen Ende des Mittelpleistozäns ausgestorbenen Tieres fand. Seitdem versuchen Forscher anhand der gefundenen Fossile mehr über Aussehen, Nahrung, Lebensraum und Umwelt der „Duboisia santeng“ herauszufinden.

Unter der Leitung des Geologen und Paläoanthropologen Gustav Heinrich Ralph von Koenigswald (1902–1982) wurden 1937 bis 1941 mehrere Fundstücke der „Duboisia santeng“ auf Java ausgegraben. Diese Fossilien, darunter eine beachtliche Menge an Antilopenzähnen, befinden sich heute in der Koenigswald-Sammlung der Paläoanthropologischen Abteilung am Senckenberg Forschungsinstitut. Dort werden isotopentechnische Untersuchungen an einzelnen fossilen Zähnen der „Duboisia santeng“ durchgeführt. So auch am versteinerten Zahn mit der Sammlungsnummer SMF/PA/F4726, der hierfür an einer geeigneten Stelle durchgesägt wurde. Das Teilstück mit der glatten Schnittfläche zeigt uns das Innere des Zahns, der sich wegen des Versteinerungsprozesses braun, hellgrau und dunkelbraun verfärbt hat. Des Weiteren erkennt man sechs kleine Löcher. An diesen Stellen wurden dem Zahn mittels eines Zahnbohrers sechs Proben entnommen. Ziel der Methode ist es, Aufschluss über das Nahrungsangebot der Antilopenart „Duboisia santeng“ zu ihrer Lebzeit zu erhalten.

Die isotopentechnische Untersuchung ist eine naturwissenschaftliche Methode, die uns Auskunft über Ernährungsweisen und somit über Vegetation, Landschaft, Umwelt und klimatische Bedingungen eines Fundes geben kann. Jedes Lebewesen besteht aus chemischen Verbindungen und Elementen. Diese Haupt- und Spurenelemente liegen wiederum in mehreren Isotopen-Formen vor. Dabei handelt es sich um Atome, die zum selben chemischen Element gehören, sich aber in ihrer Neutronenanzahl unterscheiden. Die relative Häufigkeit der Isotope eines Elements zeigt an, welche physikalischen oder biochemischen Veränderungen sich ereignet haben. Diese charakteristischen Isotopenverhältnisse, auch Isotopensignaturen genannt, geben Auskunft über Lebensumstände und können so Belege für die Rekonstruktion der Nahrung liefern. Im Falle des Antilopenzahns kann mittels der Probenentnahme aus verschiedenen Wachstumsphasen des Zahns untersucht werden, welche Nahrung die Antilope in verschiedenen Altersabschnitten zu sich genommen hat und ob sich das Nahrungsangebot im Laufe ihres Lebens geändert hat.

So kommen wir auf die Beschreibung der Landschaft Javas und der Nahrung der „Duboisia santeng“ am Anfang dieses Textes zurück: Blätter und Früchte als Nahrung sind Anzeichen für Bäume und Sträucher und somit für Wälder. Gräser weisen wiederum auf eine steppenähnliche Landschaft hin. Anhand der Untersuchungen am Zahn lässt sich also feststellen, dass sich die Antilopenart sowohl als Blattfresser im Regenwald, als auch als Grasfresser in einer steppenähnlichen Landschaft aufgehalten hat.

Aufgrund des Mangels oder Nichtvorhandenseins von Nahrungsresten und somit fehlender DNA ist eine exakte Benennung von Pflanzenarten anhand der isotopentechnischen Methode nicht möglich. Zudem können nur Bodenfunde fossiler Pflanzen endgültig Aufschluss über die Flora des mittelpleistozänen Javas geben. Dennoch lässt sich eine ungenaue Umwelt rekonstruieren – und das anhand eines einzigen Zahns.

Janine Trippel war im Wintersemester 2015/16 Studentin der Geschichte. Der Text entstand im Rahmen der Übung „Schriftlose Vergangenheiten“, Dozentin: Dr. Lisa Regazzoni

Literatur

Stefan Hölzl u. a.: Auf Spurensuche in der Vergangenheit. Isotope schreiben Geschichte, in: Einführung in die Archäometrie, hg. v. Günther Wagner, Berlin u.a. 2007, S. 263–277.

Ales Hrdlicka: Dr. Eugène Dubois, 1858-1940, in: The Scientific Monthly, Bd. 52, Nr. 6, 1941, S. 578–580.

Roberto Rozzi u. a.: The enigmatic bovid Dubiosia santeng (Duboi, 1981) from the Early-Middle Pleistocene of Java: A multiproxy approach to its paleoecology, in: Palaeogeography, Palaeoclimatology, Palaeoecology, Bd. 377, 2013, S. 73–85.

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