Alpiner (früher Schweizer) Dolch

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Signatur

Inv. Nr. 10002

Datierung

Replikat 21. Jahrhundert nach Original Frühbronzezeit (Reineckestufe Bz A2) 2000–1600 v. Chr.

Maße

Dolch L 21,5, B 5, T 3 cm; Griff L 10, B 5, T 3 cm

Material

Bronze, Kupfer, Geweih

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Alpiner (früher Schweizer) Dolch

© Barbara Voss, Institut für Archäologische Wissenschaften

„Ein Alpiner Typ“

von Fabian Fricke

Warum umfasst eine archäologische Lehrsammlung neben Originalen vor allem Replikate, das heißt Nachbildungen vor- und frühgeschichtlicher Werkzeuge, Waffen, Trachtbestandteile und anderer Gebrauchsgegenstände? Was lässt sich anhand der Rekonstruktionen vermitteln, wie werden diese in der Lehre eingesetzt?

Die aufwändig hergestellten Stücke dienen vor allem dazu, den Studierenden zu veranschaulichen, wie die Gegenstände, die sie aus archäologischen Kontexten kennen, zum Zeitpunkt ihrer Verwendung in ihrer Gesamtheit ausgesehen haben. Denn an Fundstücken sind viele Elemente nicht mehr zu erkennen, die ihre Herkunft, Herstellung und Nutzung nachvollziehbar machen könnten. So erhalten sich beispielsweise nur selten organische Bestandteile. Auch farbliche Unterschiede, die durch Verwendung verschiedener metallischer Materialien hervorgerufen wurden, sind aufgrund der Patina mit bloßem Auge nicht zu erfassen. Hinzu kommen Veränderungen der Fundstücke durch die Nutzung oder Reparaturen. Neben vollständig ausgearbeiteten Stücken umfasst die Lehrsammlung auch Replikate, die nur als Halbfabrikate ausgeführt sind. Anhand dieser kann die Art und Weise, wie ein bestimmter Artefakttyp gefertigt wurde, sehr gut erläutert werden.

Der hier besprochene Dolch liegt als komplettes Replikat vor, daneben gehört aber auch sein Griff ohne die organischen Komponenten und Nieten zur Sammlung. An diesem Stück kann ganz besonders gut die Konstruktionsart der Griffe von Dolchen des sogenannten Alpinen Typs (früher Schweizer Typ) erläutert werden. Für die Zuordnung zu diesem Typ ist zunächst die Identifikation als Dolch grundlegend. Ein weiteres wichtiges Kriterium ist die Konstruktion des Griffs, der aus mehreren Materialien zusammengesetzt ist. In diesem Fall besteht er aus Geweih und Bronze. Einen solchen Griff bezeichnet man als Kompositgriff (lat. compositio - dt. Zusammenstellung, Zusammensetzung). Bei vorliegendem Exemplar wurden auf die Griffsäule abwechselnd Scheiben aus Geweih und aus Bronze oder Kupfer gesteckt. Anschließend wurde der Knauf aufgesetzt und befes- tigt. Diese besonderen Griffe sind das sogenannte diagnostische Merkmal, um einen Dolch dem Alpinen Typ zuzuordnen, der seinen Namen wegen des Verbreitungsgebiets vor allem in den Westalpen erhalten hat. Wie sind nun Griff und Klinge miteinander verbunden? Diese bilden durch Nieten eine Einheit, wie man sofort erkennen kann. Doch nicht bei allen handelt es sich auch tatsächlich um Nieten. Nur die beiden äußeren der fünf erkennbaren Erhebungen sind auch wirklich Nieten. Die drei inneren Erhebungen sind hingegen sogenannte Scheinnieten, die ausschließlich zur Verzierung des Griffs dienen. Ebenso verhält es sich bei der Dekoration der Klinge: Der länglich-ovale Heftausschnitt ist fast komplett mit einem Fischgrätmuster ausgefüllt und unterhalb des Heftausschnitts schließen sich zwei hängende Dreiecke aus jeweils vier Linien an.

Ein weiterer Teil der Typologie betrifft die Zusammensetzung des verwendeten Kupfers und der Kupferlegierungen. Bei dem hier besprochenen Replikat sind zwar sämtliche Metallteile aus Bronze, das ist aber keineswegs bei allen Dolchen dieses Typs der Fall. Die Klingen weisen generell einen hohen Zinngehalt von circa zehn Prozent auf. Diese Legierung ist wesentlich härter als Reinkupfer und deshalb ein deutlich besserer Werkstoff für eine Klinge. Die Knäufe und Griffe dagegen bestehen meist aus einem erheblich niedrigeren Zinngehalt von fünf bis sechs Prozent. Besonders interessant ist die Zusammensetzung des Metalls der Griffringe. Das Reinkupfer ist kräftig rot, eine zehnprozentige Zinnbronze dagegen ist eher golden. Bei der Herstellung wurde also bewusst mit den Materialien gespielt, und der polychrome Griff aus verschiedenen Metallen und organischen Materialien ist durchdacht gestaltet worden. Es ist beeindruckend, mit welcher Kunstfertigkeit die Metallhandwerker 2000 v. Chr. mit verschiedenen Metalllegierungen und organischen Stoffen umzugehen verstanden und einen Gegenstand nach einem genauen Formenkanon schaffen konnten.

Dolche diesen Typs finden sich sowohl in Deponierungen (Horten) niedergelegt als auch in Gräbern. In vielen Fällen weisen sie deutliche Abnutzungsspuren an der Klinge auf, die durch den Abrieb beim Schneiden und beim Nachschärfen der Klinge entstanden sind. Es handelt sich also durchaus um einen Gegenstand, der benutzt wurde. Die aufwändige Konstruktion verdeutlicht aber auch, dass es sich hierbei um einen Ausdruck des Wohlstands desjenigen handelte, der in der Lage war, sich einen solchen Dolch leisten zu können.

Fabian Fricke war 2014 Student der Vor- und Frühgeschichte Europas und Eurasiens. Der Text entstand im Rahmen der Jubiläumsausstellung „Ich sehe wunderbare Dinge. 100 Jahre Sammlungen der Goethe Universität“ und wurde im Katalog veröffentlicht. Dieses Objekt war in der Jubiläumsausstellung "Ich sehe wunderbare Dinge. 100 Jahre Sammlungen der Goethe-Universität" 2014/2015 zu sehen. Der erläuternde Text wurde für die Ausstellung bzw. den begleitend erschienenden Katalog verfasst.

Literatur

Rüdiger Krause: Studien zur kupfer- und frühbronzezeitlichen Metallurgie zwischen Karpatenbecken und Ostsee, Rahden/Westfalen 2003.

Stefan Schwenzer: Frühbronzezeitliche Vollgriffdolche. Typologische, chronologische und technische Studien auf der Grundlage einer Materialaufnahme von Hans-Jürgen Hundt, Stefan Schwenzer, Mainz 2004.

IMPRESSUM


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Konzept, Entwicklung und Herausgabe der Plattform

Dr. Judith Blume (heute: Koordinatorin der Sammlungen an der Goethe-Universität)
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Betreuung der Plattform

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Design

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Entstehungskontext

Die Plattform wurde von der Studiengruppe "sammeln, ordnen, darstellen" am Forschungszentrum für Historische Geisteswissenschaften entwickelt und im Rahmen der Jubiläumsfeierlichkeiten der Goethe-Universität im Jahr 2014 eröffnet. Ihr Aufbau war eng mit der Ausstellung „Ich sehe wunderbare Dinge. 100 Jahre Sammlungen der Goethe-Universität“ verknüpft, die von Oktober 2014 bis Februar 2015 im Museum Giersch der Goethe-Universität zu sehen war. Viele der Objekterzählungen waren auch in der Ausstellung zu lesen und sind im Katalog abgedruckt worden; viele Ausstellungstexte haben wiederum den Weg in die Plattform gefunden. Ebenso wurden die auf der Plattform gezeigten Filme sowie viele der Fotografien eigens für die Ausstellung produziert.

Leitung der Studiengruppe "sammeln, ordnen, darstellen"

Dr. Judith Blume
Dr. Vera Hierholzer (bis 2018)
Dr. Lisa Regazzoni (bis 2020)

Team der Jubiläumsausstellung

Dr. Charlotte Trümpler (Projektleitung und Kuratorin; Autorenkürzel: CT)
Dr. Judith Blume (Kuratorin, Autorenkürzel: JB)
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Dr. Lisa Regazzoni (wissenschaftliche Mitarbeit, Autorenkürzel: LR)

Fotografien

Die Fotografien wurden von den einzelnen Sammlungen oder Autoren zur Verfügung gestellt sowie von Tom Stern (Sammlungsräume und Objekte), Uwe Dettmar (Objekte) und Jürgen Lechner (Objekte) angefertigt. Die Nachweise finden Sie bei den entsprechenden Abbildungen. Sollte trotz sorgfältiger Recherche ein Rechteinhaber oder Fotograf nicht genannt sein, bitten wir um einen entsprechenden Hinweis.

Filmproduktion

Sophie Edschmidt (Regie und Schnitt)
Philipp Kehm (Kamera)
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Dr. Charlotte Trümpler (Idee und Beratung)


Finanzierung


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