Hallstattschwert (Replik)

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Datierung

21. Jh., Original ca. 750 v. Chr.

Maße

L 92, B 9 cm, Gewicht ca. 1500 g

Material

Eiserne Klinge, Griff aus Bronze

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Hallstattschwert (Replik)

© Barbara Voss, Institut für Archäologische Wissenschaften

Ein altes Eisen?

von Martin Hensler

Archäologen sehen sich immer wieder vor das Problem gestellt, dass ihre Untersuchungsgegenstände durch die Jahrhunderte oder gar Jahrtausende andauernde Lagerung im Boden vielfache Veränderungen im Aussehen und den Formen aufweisen. Organische Materialien vergehen, metallene Bestandteile oxidieren. Viele Artefakte wurden zudem vor ihrer Niederlegung zerstört. Anhand der Fundstücke ist es daher sehr schwer, sich ein Bild des ursprünglichen Objektes zu machen. Doch kann es eben von entscheidender Relevanz für die archäologische Forschung sein, wie beispielsweise ein Schwert in der Vergangenheit aussah, wie es sich anfühlte und wie es sich benutzen ließ.

Wie lässt sich dieses Problem lösen? Wortwörtlich und im übertragenen Sinn geht es darum, die Gegenstände zu begreifen. Um dies tun zu können, werden sogenannte Repliken hergestellt. Solche Nachahmungen basieren auf den Maßen und Eigenschaften echter, vollständig überlieferter Fundstücke. Teilweise werden bei der Produktion sogar die Techniken genutzt, die sich aus den archäologischen Ausgrabungen belegen lassen. Dazu steht der Schmied an seiner Esse, betätigt den Blasebalg, schwingt den Hammer und formt das glühende Eisen. Auf diese Weise entstand auch das eiserne Schwert, das in der Schau- und Lehrsammlung der Abteilung Vor-und Frühgeschichte des Instituts für Archäologische Wissenschaften aufbewahrt und für die Lehre benutzt wird. Es basiert auf Fundstücken, die der älteren Eisenzeit Europas(ca. 750 v. Chr.) aus dem süddeutsch-österreichischen Raum stammen.

Was kann man aber nun aus einer solchen Nachbildung lernen? Man erkennt beispielsweise, welche Kraft es gekostet hat, die Klinge eines Schwerts zu heben. Alleine aus dieser körperlichen Erfahrung lässt sich schneller als durch jede wissenschaftliche Diskussion feststellen, dass solche Waffen – anders als ein Degen oder ein Florett – nicht zum Fechten geeignet waren. Vergleichbare Schwerter waren Hiebwaffen, die in mächtigen Streichen von oben auf den Gegner hinab geführt werden mussten. Doch war das auch im Falle des Vorbildes für die vorliegende Replik so? Wenn man deren Klinge durch die Luft sausen lässt, so fällt schnell auf, dass eines der Charakteristika des Schwertes eine saubere und gute Führung verhindert: der Glockenknauf. Geformt wie eine massive Glocke sitzt er recht voluminös am Ende des Schwertgriffes und schließt diesen ab. Durch seine Größe und Form schränkt er den Aktionsradius des Handgelenks ein. Ist dies ein Luxus, den man sich in einem Zweikampf auf Leben und Tod oder in einem blutigen Schlachtengetümmel leisten konnte und wollte? Oder sind der Glockenknauf und seine häufig aufwendige Gestaltung mit Einlegearbeiten, Gold oder Elfenbein eher Zeichen für eine Nutzung abseits der Schlachtfelder? Gerade da es zu dieser Zeit schlichtere sowie funktionalere Schwerter gab, ist eine Verwendung als Statussymbol naheliegend. Man wollte womöglich sein Gegenüber mit dem Schwert beeindrucken; ihn wissen lassen, welche Position man in der Gesellschaft innehat.

Ausgehend von diesen Überlegungen kann man sich den konkreten archäologischen Befunden und Funden zuwenden. Die Originale solcher Waffen stammen aus der frühen Eisenzeit, die nach einem wichtigen Fundort in Österreich „Hallstattzeit“ genannt wird. Dort entdeckte man auch ein Vorbild des Schwertes. Wie die meisten anderen dieser sogenannten „Hallstattschwerter“ – so typisch sind sie für diese Zeit, dass sie unabhängig von ihrem jeweiligen Fundort diesen Namen bekommen haben – lag es in einem Grab. Der Verstorbene war wahrscheinlich durch den Handel mit Salz wohlhabend geworden, was sich in seinen reichen Grabbeigaben zeigt. Verbindet man die reichhaltige Grabausstattung mit dem Schwert, das zum Kampf kaum taugt, erkennt man, dass es sich bei diesem Toten und bei den anderen Trägern der Hallstattschwerter um wichtige Personen handelte, die solche eindrucksvollen Waffen tatsächlich als Zeichen ihrer Macht mit sich führten.

Auf diese Weise helfen alte Schwerter aus neuem Eisen das Wissen über unsere Vorgeschichte zu vertiefen. Zusätzlich dienen solche Objekte der Vermittlung des gewonnenen Wissens in der Lehre. Sie machen es begreifbar und die Studierenden lernen an ihnen mehr als aus jedem Buch.

Der Autor ist Doktorand der Vor- und Frühgeschichte. Der Text entstand im Rahmen der Vorbereitung zur Jubiläumsausstellung „Ich sehe wunderbare Dinge. 100 Jahre Sammlungen der Goethe Universität“. Dieses Objekt war in der Jubiläumsausstellung "Ich sehe wunderbare Dinge. 100 Jahre Sammlungen der Goethe-Universität" 2014/2015 zu sehen. Der erläuternde Text wurde für die Ausstellung bzw. den begleitend erschienenden Katalog verfasst.

Literatur

Peter Schauer: Die Schwerter in Süddeutschland, Österreich und der Schweiz I (Griffplatten-, Griffangel und Griffzungenschwerter). Prähistorische Bronzefunde, 4. Abteilung, Band 2, München 1971.

Martin Trachsel: Untersuchungen zur relativen und absoluten Chronologie der Hallstattzeit. Universitätsforschungen zur Prähistorischen Archäologie 104, Bonn 2004.

Walter Torbrügge: Die Hallstattzeit in der Oberpfalz. Materialhefte zur bayerischen Vorgeschichte. Reihe A, Band 39, Kallmünz/Opf. 1979.

IMPRESSUM


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Konzept, Entwicklung und Herausgabe der Plattform

Dr. Judith Blume (heute: Koordinatorin der Sammlungen an der Goethe-Universität)
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Betreuung der Plattform

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Entstehungskontext

Die Plattform wurde von der Studiengruppe "sammeln, ordnen, darstellen" am Forschungszentrum für Historische Geisteswissenschaften entwickelt und im Rahmen der Jubiläumsfeierlichkeiten der Goethe-Universität im Jahr 2014 eröffnet. Ihr Aufbau war eng mit der Ausstellung „Ich sehe wunderbare Dinge. 100 Jahre Sammlungen der Goethe-Universität“ verknüpft, die von Oktober 2014 bis Februar 2015 im Museum Giersch der Goethe-Universität zu sehen war. Viele der Objekterzählungen waren auch in der Ausstellung zu lesen und sind im Katalog abgedruckt worden; viele Ausstellungstexte haben wiederum den Weg in die Plattform gefunden. Ebenso wurden die auf der Plattform gezeigten Filme sowie viele der Fotografien eigens für die Ausstellung produziert.

Leitung der Studiengruppe "sammeln, ordnen, darstellen"

Dr. Judith Blume
Dr. Vera Hierholzer (bis 2018)
Dr. Lisa Regazzoni (bis 2020)

Team der Jubiläumsausstellung

Dr. Charlotte Trümpler (Projektleitung und Kuratorin; Autorenkürzel: CT)
Dr. Judith Blume (Kuratorin, Autorenkürzel: JB)
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Dr. Lisa Regazzoni (wissenschaftliche Mitarbeit, Autorenkürzel: LR)

Fotografien

Die Fotografien wurden von den einzelnen Sammlungen oder Autoren zur Verfügung gestellt sowie von Tom Stern (Sammlungsräume und Objekte), Uwe Dettmar (Objekte) und Jürgen Lechner (Objekte) angefertigt. Die Nachweise finden Sie bei den entsprechenden Abbildungen. Sollte trotz sorgfältiger Recherche ein Rechteinhaber oder Fotograf nicht genannt sein, bitten wir um einen entsprechenden Hinweis.

Filmproduktion

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Philipp Kehm (Kamera)
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Dr. Charlotte Trümpler (Idee und Beratung)


Finanzierung


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