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Judaica-Sammlung – Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg
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Kochbuch für israelitische Frauen

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Signatur

18/23410

Urheber

Rebekka Wolf

Datierung

1865 (4. Auflage)

Maße

14,5 x 21,5 cm (XXII, 246 Seiten)

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Kochbuch für israelitische Frauen

Über Zeiten und Zeilen hinweg – wie das Rezept einer Matzeknödelsuppe nicht nur Zutaten verbindet

von Lea Bligenthal

Matzenmehl, Eier, Fett, Wasser und Salz vermischen; anschließend in den Händen einen runden Kloß formen und als Einlage in einer Brühe ziehen lassen – fertig ist die Matzeknödelsuppe. Matzeknödel (jiddisch קניידלעך, Knaidlech) sind eine beliebte Suppeneinlage, die während Pessach serviert wird. Mamas Suppenknödel prägt Kindheitserinnerungen und ist fester Bestandteil der jüdischen Küche.

Die Hebraica- und Judaica-Sammlung der Universitätsbibliothek umfasst zahlreiche jüdische Kochbücher, darunter auch Rebekka Wolfs „Kochbuch für israelitische Frauen – enthaltend die verschiedensten Koch- und Backarten; mit einer vollständigen Speisekarte und einer Hausapotheke sowie einer genauen Anweisung zur Einrichtung und Führung einer religiös-jüdischen Haushaltung“ von 1865. Es ist das älteste Kochbuch der Sammlung, die seit Mitte des 19. Jahrhundert durch Schenkungen Frankfurter Jüdinnen und Juden entstand. Erstmals erschien die Rezepte-Sammlung 1851 und wurde mehrfach neu aufgelegt und erweitert. Bis 1933 erschienen 14 Auflagen.

Kochbücher sind Spiegel von kulturellen, religiösen und gesellschaftlichen Gegebenheiten. Nicht zuletzt die zunehmende Säkularisierung und Hinwendung zum Bürgertum führte dazu, dass das Kochbuch immer mehr zum Handbuch für die Führung eines bürgerlichen Hauses wurde. So zeigt auch Rebekka Wolfs Kochbuch mit einer „genauen Anweisung zur Einrichtung und Führung einer religiös-jüdischen Haushaltung“ den Wandel in der Frauenrolle. Damit reiht sich das Werk in die Hauswirtschaftsbewegung des frühen 20. Jahrhunderts ein. Begleitet wurde dieser Wandel durch jüdische Frauenvereinigungen, welche hauswirtschaftliche Kurse anboten, um junge Frauen in der Haushaltsführung auszubilden und die „Küche zum Tempel der Frau“ (Lea Fleischmann) werden ließen.

Jede Speisekultur, welche kulturelle Prägung sie auch durchlaufen hat, kennt die Unterscheidung in Alltagsessen und Festessen. Diese Aufteilung lässt sich auch bei Rebekka Wolf wiederfinden. Das Kochbuch umfasst neben koscheren Rezepten für jeden Tag auch eine Speisekarte für das ganze Jahr, mit der der jüdischen Hausfrau unter anderem eine Menüanleitung für das Pessachfest bzw. die „Osterfeiertage“ zur Hand gegeben wird. In Kapitel 18 ist unter dem Titel „Speisen und Getränke, die am Osterfest theils gebräuchlich, theils anwendbar sind“ eine detaillierte Anleitung für die Zubereitung von „Suppenklöße(n)“ zu finden. Diese Klöße bzw. Knödel werden aus zerkleinerten Matzen hergestellt und heißen daher auch „Matzeknödel“. Aber was sind Matze?

Matze ist ein ungesäuertes Brot für die Pessachzeit, welches für die Klöße zu Matzenmehl zermahlen wird und so in vielen Speisen das Getreidemehl ersetzt. Um gemäß den jüdischen Speisegesetzen koscher zu sein, wird es wie alle jüdischen Speisen nach rituellen Vorschriften „Kaschrut“ hergestellt. Der Verzehr von Matze steht im Mittelpunkt der biblischen Vorschrift, während Pessach nichts Gesäuertes zu sich zu nehmen und steht symbolisch für das Nachempfinden eines historischen Geschehens – dem Auszug der Israeliten aus Ägypten. Den Matzeknödeln kommt dabei eine besondere Rolle zu oder wie Daniel Donskoy, der Gastgeber der Freitagnacht Jews im WDR, es ausdrückt: „Sie wollten uns umbringen, sie haben es nicht geschafft, lasst uns essen.“

Es gibt große und kleine Klöße, mit Muskat, mit Pfeffer, mit Ingwer, mit oder ohne Eischnee. Jede Regionalküche setzt ihre eigenen Akzente und jüdische Speisetraditionen adaptieren die jeweiligen kulinarischen Gepflogenheiten der Region. So wird heute etwa in Mexico die Matzeknödelsuppe mit Zwiebeln, Avocado und Koriandergrün variiert (Leah König, Das jüdische Kochbuch). Entscheidend neben den geografischen Einflüssen auf die Rezeptsammlung ist ebenfalls die jeweilige Zeit, zu der die Speisen zubereitet wurden. So führte insbesondere die Lebensmittelknappheit während des ersten Weltkrieges zu Hausfrauenratschlägen wie mit der Not jüdische Speisegesetze eingehalten werden können (Carl von Norden, Kriegskochbuch für die rituelle Küche). Auch wenn es sie also in vielen Variationen gibt, die Matzeknödelsuppe verbindet die Gemeinschaft der Speisenden über die Grenzen und Zeiten hinweg.

Die größte Besonderheit der jüdischen Küche ist, im Gegensatz zu fast allen anderen Küchen der Welt – dass sie nicht geografisch definiert ist. Vielmehr folgen die Rezepte den Speisevorschriften und adaptieren regionale Zutaten und Geschmäcker. Die Matzeknödelsuppe ist das, was zusammenhält – die Zutaten wie die Gemeinschaft, wo immer auf der Welt das Pessaachfest gefeiert wird. Essen kann Vergangenes vergegenwärtigen, Traditionen bewahren und mit der Moderne verbinden.

Zugang zum vollständig digitalisiertem Buch erfolgt unter diesem Link.

Dieser Beitrag von Lea Bligenthal entstand im Rahmen des Projektseminars ’17 Motive jüdischen Lebens‘ an der Goethe-Universität Frankfurt am Main im Sommersemester 2021.

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Wir freuen uns über Ihre Email an: sammlungen[at]uni-frankfurt.de

Konzept, Entwicklung und Herausgabe der Plattform

Dr. Judith Blume (heute: Koordinatorin der Sammlungen an der Goethe-Universität)
Dr. Vera Hierholzer (bis 2018; heute: Direktorin des Museums für Industriekultur in Osnabrück)
Dr. Lisa Regazzoni (bis 2020; heute: Professur für Theorie der Geschichte an der Universität Bielefeld)

Betreuung der Plattform

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Tel: 0049-(0)69-798-39197
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Programmierung

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www.winkin-verlag.de

Design

FGS Kommunikation – Steffen Grzybek, Martin Schulz GbR
www.fgs-kommunikation.de

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Entstehungskontext

Die Plattform wurde von der Studiengruppe "sammeln, ordnen, darstellen" am Forschungszentrum für Historische Geisteswissenschaften entwickelt und im Rahmen der Jubiläumsfeierlichkeiten der Goethe-Universität im Jahr 2014 eröffnet. Ihr Aufbau war eng mit der Ausstellung „Ich sehe wunderbare Dinge. 100 Jahre Sammlungen der Goethe-Universität“ verknüpft, die von Oktober 2014 bis Februar 2015 im Museum Giersch der Goethe-Universität zu sehen war. Viele der Objekterzählungen waren auch in der Ausstellung zu lesen und sind im Katalog abgedruckt worden; viele Ausstellungstexte haben wiederum den Weg in die Plattform gefunden. Ebenso wurden die auf der Plattform gezeigten Filme sowie viele der Fotografien eigens für die Ausstellung produziert.

Leitung der Studiengruppe "sammeln, ordnen, darstellen"

Dr. Judith Blume
Dr. Vera Hierholzer (bis 2018)
Dr. Lisa Regazzoni (bis 2020)

Team der Jubiläumsausstellung

Dr. Charlotte Trümpler (Projektleitung und Kuratorin; Autorenkürzel: CT)
Dr. Judith Blume (Kuratorin, Autorenkürzel: JB)
Dr. Vera Hierholzer (Kuratorin, Autorenkürzel: VH)
Dr. Lisa Regazzoni (wissenschaftliche Mitarbeit, Autorenkürzel: LR)

Fotografien

Die Fotografien wurden von den einzelnen Sammlungen oder Autoren zur Verfügung gestellt sowie von Tom Stern (Sammlungsräume und Objekte), Uwe Dettmar (Objekte) und Jürgen Lechner (Objekte) angefertigt. Die Nachweise finden Sie bei den entsprechenden Abbildungen. Sollte trotz sorgfältiger Recherche ein Rechteinhaber oder Fotograf nicht genannt sein, bitten wir um einen entsprechenden Hinweis.

Filmproduktion

Sophie Edschmidt (Regie und Schnitt)
Philipp Kehm (Kamera)
Philipp Gebbe (Musik)
Dr. Charlotte Trümpler (Idee und Beratung)


Finanzierung


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