In der Sammlung

Sammlung Politische Bildgedächtnisse – Historisches Seminar
Weitere Objekte in dieser Sammlung

Löwenhof der Alhambra, Kunsthistorische Bildbögen des E.A.Seemann-Verlags

Kategorien

Datierung

1886

Maße

10,5x12,2 cm

Material

Papier, schwarz-weiß Druck

Objekt-Schaufenster

Drucken
per E-Mail senden

Löwenhof der Alhambra, Kunsthistorische Bildbögen des E.A.Seemann-Verlags

© Sammlung Politische Bildgedächtnisse

Auf der Jagd in Andalusien

von Leon Hotz

In der Mitte einer Säulenhalle steht ein großer Brunnen mit einer Fontäne über zwei Brunnenschalen, eingerahmt von 12 Wasser speienden Löwen. Sie scheinen Brunnen und Hof zu bewachen. Auf halbem Weg zwischen Vorhalle und Brunnen stehen ins Gespräch vertieft ein Mann und eine Frau. Mit der linken Hand gestikulierend, stützt sich der Mann mit der Rechten auf ein Gewehr. Passend dazu erinnern Kleidung und Hut an eine Jägertracht, vielleicht aus Tirol.

Das Bild, das den Löwenhof der Alhambra zeigt, stammt aus einem Buch des Leipziger Verlages E. A. Seemann aus dem Jahr 1886. Ernst Arthur Seemann (1829-1904) hatte 1858 einen Verlag gegründet, hauptsächlich mit dem Ziel, die damals im Entstehen begriffene Kunstgeschichte mit Drucken zu versorgen. In den folgenden 20 Jahren sammelten sich dabei so viele Illustrationsunterlagen aus Kunstgeschichtsbüchern, Architekturwerken und Zeitschriften an, dass Seemann beschloss, auf Basis dieser Vorlagen ein Überblickswerk mit kunsthistorischen Abbildungen von der ägyptischen und griechisch-römischen Antike über das Mittelalter und die Renaissance bis zum Barock herauszugeben. Die zahlreichen Abbildungen stellte er zu Bildtafeln zusammen, die als so genannte Bilderbögen veröffentlicht wurden. Für das Verfassen eines erläuternden Begleittextes konnte Seemann den Historiker Anton Springer (1825-1891) gewinnen. Begleittext und Bildbögen, die schnell zu einem Standardwerk wurden, richteten sich dabei nicht nur an Fachleute, sondern gerade auch an interessierte Laien und das breite Publikum, dem auf diese Weise ein tieferes Verständnis von Kunst nahegebracht werden sollte.

Was macht nun aber der Mann mit Hut und Gewehr auf dem Bild?

Viele der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts sehr populären so genannten Familien-Zeitschriften veröffentlichten Reise- und Abenteuergeschichten in Serien. Illustriert mit schwarz-weiß Abbildungen erzählten sie oft von Unglaublichem und Phantastischem. Von besonderer Faszination waren fremde oder als mystisch empfundene Welten, wie beispielsweise der Orient. Ist der Mann mit Hut also vielleicht ein Protagonist einer solchen Geschichte und die Abbildung einer Familien-Zeitschrift entnommen? Ziel des Projektes „Nationale Bildgedächtnisse Europas“, in dessen Sammlung sich die Publikation befindet, ist es, solche Bildwanderungen zu erkennen, ihre Wege nachzuzeichnen und damit herauszufinden, wie bestimmte Abbildungen kanonisiert und in wissenschaftliche Abhandlungen aufgenommen wurden.

Vergleicht man die einzelnen Bildtafeln der Bilderbögen untereinander, so stellt man fest, dass ihre Zusammenstellung äußerst pragmatisch ist: zwar wurde versucht, auf einer Tafel thematisch Gleiches zu sammeln, oft wird diese Logik aber auch gebrochen. Die Seite mit der Darstellung des Löwenhofs der Alhambra zeigt außerdem Abbildungen der Sachra-Moschee in Jerusalem, sowie der el Moyed-Moschee in Kairo und einige idealisierte Darstellungen arabischer Wandverzierungen – alles Beispiele für „fremde“, „exotische“ Kunst. Schon auf der nächsten Seite ist jedoch ein Bild der Moschee von Cordoba Seite an Seite mit einer Abbildung des Klosters Lorsch zu sehen. Einmal scheinen verschiedene Moscheen also als Bespiele arabischer Kunst zusammengestellt zu sein, das andere Mal reiht sich die Moschee ein in eine Zusammenstellung von Kirchenbauten unterschiedlicher Religionen. Was aber hat dies mit unserem Mann mit Hut zu tun?

Selbstverständlich fanden sich im Bildarchiv des Verlages auch Zeichnungen des Löwenhofes ohne Personen. Wer aber wählte aus dem riesigen Fundus aus, wer entschied welches Bild im Einzelnen abgedruckt werden sollte und welches nicht? Wer auch immer es tat, vermutlich entschied man sich bewusst dafür, die Alhambra mit Mann und Gewehr abzubilden. Auch auf anderen Abbildungen, die ehemals muslimische Gebäude zeigen, wie zum Beispiel der Moschee von Cordoba, sind Menschen zu erkennen – beim genaueren Hinsehen erkennt man sie als christliche Mönche. Und so vermitteln die Menschen auf den Bildern eine Botschaft: Die arabische Herrschaft hatte das Land geprägt, war aber letztlich nur eine Episode in der Geschichte des christlichen Abendlandes. Die maurischen Prachtbauten in Granada und Cordoba wurden auf diese Weise Teil der westlichen Kultur.

Leon Hotz war im Sommersemester 2012 Student der Geschichte und Musik. Der Text entstand im Rahmen einer Lehrveranstaltung der Studiengruppe „sammeln, ordnen, darstellen“.

Literatur

Alfred Langer, Kunstliteratur und Reproduktion 125 Jahre Seemann Verlag im Dienste der Erforschung und Verbreitung der Kunst, Leipzig 1983.

Alfred Langer, E. A. Seemann und die Kunstgeschichte, In: Ernst Ullmann (Hg.), "...die ganze Welt im kleinen...", Leipzig 1989, S. 273-284.

Anton Springer, Grundzüge der Kunstgeschichte. II Das Mittelalter, Leipzig 1888.

IMPRESSUM


Haben Sie Anregungen, Fragen oder Ergänzungen?

Wir freuen uns über Ihre Email an: sammlungen[at]uni-frankfurt.de

Konzept, Entwicklung und Herausgabe der Plattform

Dr. Judith Blume (heute: Koordinatorin der Sammlungen an der Goethe-Universität)
Dr. Vera Hierholzer (bis 2018; heute: Direktorin des Museums für Industriekultur in Osnabrück)
Dr. Lisa Regazzoni (bis 2020; heute: Professur für Theorie der Geschichte an der Universität Bielefeld)

Betreuung der Plattform

Dr. Judith Blume
Koordinatorin der Sammlungen an der Goethe-Universität
Universitätsbibliothek J.C. Senckenberg
Bockenheimer Landstraße 134-138
60325 Frankfurt/Main
Tel: 0049-(0)69-798-39197
J.Blume [at] ub.uni-frankfurt.de

Programmierung

Sven Winnefeld
www.winkin-verlag.de

Design

FGS Kommunikation – Steffen Grzybek, Martin Schulz GbR
www.fgs-kommunikation.de

Developed By

Jatinkumar Nakrani
linkedin
Github

Entstehungskontext

Die Plattform wurde von der Studiengruppe "sammeln, ordnen, darstellen" am Forschungszentrum für Historische Geisteswissenschaften entwickelt und im Rahmen der Jubiläumsfeierlichkeiten der Goethe-Universität im Jahr 2014 eröffnet. Ihr Aufbau war eng mit der Ausstellung „Ich sehe wunderbare Dinge. 100 Jahre Sammlungen der Goethe-Universität“ verknüpft, die von Oktober 2014 bis Februar 2015 im Museum Giersch der Goethe-Universität zu sehen war. Viele der Objekterzählungen waren auch in der Ausstellung zu lesen und sind im Katalog abgedruckt worden; viele Ausstellungstexte haben wiederum den Weg in die Plattform gefunden. Ebenso wurden die auf der Plattform gezeigten Filme sowie viele der Fotografien eigens für die Ausstellung produziert.

Leitung der Studiengruppe "sammeln, ordnen, darstellen"

Dr. Judith Blume
Dr. Vera Hierholzer (bis 2018)
Dr. Lisa Regazzoni (bis 2020)

Team der Jubiläumsausstellung

Dr. Charlotte Trümpler (Projektleitung und Kuratorin; Autorenkürzel: CT)
Dr. Judith Blume (Kuratorin, Autorenkürzel: JB)
Dr. Vera Hierholzer (Kuratorin, Autorenkürzel: VH)
Dr. Lisa Regazzoni (wissenschaftliche Mitarbeit, Autorenkürzel: LR)

Fotografien

Die Fotografien wurden von den einzelnen Sammlungen oder Autoren zur Verfügung gestellt sowie von Tom Stern (Sammlungsräume und Objekte), Uwe Dettmar (Objekte) und Jürgen Lechner (Objekte) angefertigt. Die Nachweise finden Sie bei den entsprechenden Abbildungen. Sollte trotz sorgfältiger Recherche ein Rechteinhaber oder Fotograf nicht genannt sein, bitten wir um einen entsprechenden Hinweis.

Filmproduktion

Sophie Edschmidt (Regie und Schnitt)
Philipp Kehm (Kamera)
Philipp Gebbe (Musik)
Dr. Charlotte Trümpler (Idee und Beratung)


Finanzierung


Haftungsausschluss/Disclaimer

Die Studiengruppe "sammeln, ordnen, darstellen" des Forschungszentrums für Historische Geisteswissenschaften der Goethe-Universität Frankfurt übernimmt keinerlei Verantwortung für die Inhalte von Webseiten, welche durch die auf unseren Seiten angeführten Links erreichbar sind. Die auf solchen Webseiten wiedergegebenen Meinungen und/oder Tatsachenbehauptungen liegen in der alleinigen Verantwortung der/des jeweiligen Autorin/Autors. Da wir auf Änderungen durch Autoren externer Webseiten keinerlei Einfluss haben, weisen wir ferner ausdrücklich darauf hin, dass wir uns Texte oder Aussagen Dritter, welche durch Links auf externen Webseiten zugänglich sind, in keiner Weise zu eigen machen.