Gipsabguss der Platte IX des Westfrieses am Parthenon

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Signatur

A194

Datierung

Original vor 438 v. Chr.

Maße

H 106, B 140 cm

Material

Gips/Abguss

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Gipsabguss der Platte IX des Westfrieses am Parthenon

© Foto: Tom Stern, Copyright: Marketing und Kommunikation, Goethe-Universität

Die Lehre des Plastischen

von Anna Langgartner

Zwei Reiter zu Pferde in Seitenansicht, leicht versetzt nebeneinanderher von rechts nach links reitend. Die Reittiere nehmen eine Haltung ein, die ihr Vorwärtsdrängen und ihre Kraft gut zum Ausdruck bringt. Das linke Tier wirft den Kopf nach oben, seine rechten Beine sind in der Bewegung erhoben; das rechte Tier bäumt sich auf, setzt die Hinterbeine stark unter den Körper und wirft die Vorderbeine in die Luft. Dennoch sitzen ihre zwei Reiter, beides junge Männer, ohne Sattel entspannt auf den Pferderücken und halten die Kraft ihrer Tiere, die durch angespannte Muskeln und Sehnen sowie heraustretende Adern deutlich zum Ausdruck kommt, beinahe mühelos im Zaum. Nicht nur die heruntergezogenen Maulwinkel der Pferde und die Handhaltung der Reiter weisen auf eine ursprünglich zur Szene gehörenden Zäumung hin, sondern auch Bohrlöcher am Original, in die das bronzene Zaumzeug eingestiftet war. Die jungen Männer tragen weder Schuhe, noch Stiefel, lockere Hemden, darüber als Mantel ein weiteres Stück Stoff lose um den Oberkörper geschlungen. Alles fällt in viele Falten gelegt an ihren Körpern herunter, oder bauscht sich hinter dem Rücken in der Luft, wodurch nochmals die Dynamik des Moments deutlich wird.

Die beschriebene Szene ziert eine langrechteckige Reliefplatte aus weißem Gips. Die Reiter und ihre Pferde nehmen die gesamte Länge und Höhe der Platte ein, der restliche Reliefgrund ist eben und leer. Trotz der geringen Relieftiefe von wenigen Zentimetern, zeichnet sich die Szene durch Raumtiefe und Körperhaftigkeit aus. Die Darstellungen wirken naturbezogen und sind detailreich. Das Relief ist nicht mehr vollständig erhalten; so fehlen der Kopf des linken Reiters, die Hinterbeine des rechten Pferdes sowie beide Schweife der Tiere. Die Umrisse der fehlenden Partien sind aber noch auf dem Reliefgrund zu erkennen. Als Abguss steht die Platte stellvertretend für ein Relief des größten Tempels auf der Akropolis des antiken Athens: des Parthenon. Im 5. Jh. v. Chr. erbaut zierte dieses, angebracht in über 10 Metern Höhe und mit einer Gesamtlänge von 160 Metern, alle vier Seiten des Kernbaues. In der Archäologie viel diskutiert, zeigt es wohl einen großen Festumzug anlässlich einer jährlich stattfindenden Kultfeier zu Ehren der Stadtgöttin Athena, in dem sich allerlei Athener tummeln, darunter auch mehr als 100 Reiter zu Pferde. Der Parthenon, eines der besterhaltenen Monumente der antiken Welt, ist für die Vermittlung der antiken Architektur und Kunst in der Lehre der klassischen Archäologie von zentraler Bedeutung.

Wie die Teilabguss des Parthenonreliefs wird die gesamte Abguss-Sammlung vielfach in die Lehre einbezogen. Grund dafür ist die starke Objektbezogenheit der klassischen Archäologie. Nach wie vor bieten Abbildungen von dreidimensionalen Objekten nur einen schwachen Ersatz für die Originale. An einem Gipsabguss aber lassen sich alle Ansichten des Objektes und seine Wirkung im Raum intensiv studieren. Die besondere Plastizität des Gipses ermöglicht es, Oberflächen bis ins kleinste Detail wiederzugeben. Die Zusammenstellung verschiedener Plastiken, deren Originale in Museen auf der ganzen Welt verteilt sind, erlaubt ein genaues Studium der Formentwicklung und eine Stilanalyse. Da jedoch derzeit kein Etat bereitsteht, ist die Sammlung auf Spenden angewiesen. Auch der Abguss des Parthenonfrieses fand 2001 als Geschenk eines privaten Spenders seinen Weg in die Sammlung.

Die Platte steht aber nicht nur stellvertretend für die originalen Friesteile des Parthenons, sondern auch für eine Reihe weiterer Teilabgüsse, die zum Besitz der Sammlung gehören. Schon durch die Vorgängersammlung am Städel vom Louvre in Paris 1819 erworben, gehen sie auf die frühesten Abformungen des Parthenonfrieses zurück, die direkt am Bau in Athen in den 1780er Jahren abgenommen worden sind. Die 13 Platten weisen damit den Erhaltungszustand des Frieses aus dem 18. Jh. auf, der wesentlich besser war als der der heutigen Originale, die teilweise noch bis 1993 am Bau verblieben sind und dort durch diverse Umwelteinflüsse deutlich an ihrer Qualität verloren haben.

Doch auch die Platten der Abguss-Sammlung des Archäologischen Instituts haben durch mehrmalige Übertünchung ihren archäologischen Wert fast vollständig eingebüßt. Heute fristen sie ein Dasein fern jeglicher Öffentlichkeit, da sie beim Umzug der Sammlung 1960 in das IG-Farbenhaus auf dem Westend-Campus an ihrem Standort aus der Gründungszeit der Universität, einem Oberlichtsaal im Jügelhaus des Bockenheimer Campus, belassen worden sind, wo sie in die Mauern eingelassen sind. Zeitweise wurde dieser Saal als Büroraum genutzt, und jahrelang erfüllten die Abgüsse keinen Zweck für Lehre oder Forschung. Der hier besprochene Teilabguss des Parthenonfrieses gehört zwar nicht ursprünglich dieser Abguss-Serie an, doch ist er ein stete Erinnerung an diese innerhalb der aktuellen Sammlungsräume. Mit der sukzessiven Aufgabe des Bockenheimer Campus und der Übergabe des Jügelhauses an das Senckenberg-Museum 2013 ist das Schicksal dieser Abgussplatten derzeit noch ungeklärt.

Die Autorin war 2014 Studentin der Klassischen Archäologie. Der Text entstand im Rahmen der Jubiläumsausstellung „Ich sehe wunderbare Dinge. 100 Jahre Sammlungen der Goethe-Universität“. Dieses Objekt war in der Jubiläumsausstellung "Ich sehe wunderbare Dinge. 100 Jahre Sammlungen der Goethe-Universität" 2014/2015 zu sehen. Der erläuternde Text wurde für die Ausstellung bzw. den begleitend erschienenden Katalog verfasst.

Literatur

Johannes Bauer (Hg.): Gips nicht mehr. Abgüsse als letzte Zeugen antiker Kunst, Bonn 2000.

Frank Brommer, Die Parthenon-Skulpturen. Metopen, Fries, Giebel, Kultbild, Mainz 1982.

Ursula Mandel, Die Abgußsammlung des Städelschen Kunstinstitutes und ihre Erweiterung als Sammlung des Archäologischen Instituts der Universität, in: Begegnungen. Frankfurt und die Antike, hg. v. Marlene Herfort-Koch, Ursula Mandel, Ulrich Schädler, Frankfurt a. M. 1994, S. 231–252.

IMPRESSUM


Haben Sie Anregungen, Fragen oder Ergänzungen?

Wir freuen uns über Ihre Email an: sammlungen[at]uni-frankfurt.de

Konzept, Entwicklung und Herausgabe der Plattform

Dr. Judith Blume (heute: Koordinatorin der Sammlungen an der Goethe-Universität)
Dr. Vera Hierholzer (bis 2018; heute: Direktorin des Museums für Industriekultur in Osnabrück)
Dr. Lisa Regazzoni (bis 2020; heute: Professur für Theorie der Geschichte an der Universität Bielefeld)

Betreuung der Plattform

Dr. Judith Blume
Koordinatorin der Sammlungen an der Goethe-Universität
Universitätsbibliothek J.C. Senckenberg
Bockenheimer Landstraße 134-138
60325 Frankfurt/Main
Tel: 0049-(0)69-798-39197
J.Blume [at] ub.uni-frankfurt.de

Programmierung

Sven Winnefeld
www.winkin-verlag.de

Design

FGS Kommunikation – Steffen Grzybek, Martin Schulz GbR
www.fgs-kommunikation.de

Developed By

Jatinkumar Nakrani
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Entstehungskontext

Die Plattform wurde von der Studiengruppe "sammeln, ordnen, darstellen" am Forschungszentrum für Historische Geisteswissenschaften entwickelt und im Rahmen der Jubiläumsfeierlichkeiten der Goethe-Universität im Jahr 2014 eröffnet. Ihr Aufbau war eng mit der Ausstellung „Ich sehe wunderbare Dinge. 100 Jahre Sammlungen der Goethe-Universität“ verknüpft, die von Oktober 2014 bis Februar 2015 im Museum Giersch der Goethe-Universität zu sehen war. Viele der Objekterzählungen waren auch in der Ausstellung zu lesen und sind im Katalog abgedruckt worden; viele Ausstellungstexte haben wiederum den Weg in die Plattform gefunden. Ebenso wurden die auf der Plattform gezeigten Filme sowie viele der Fotografien eigens für die Ausstellung produziert.

Leitung der Studiengruppe "sammeln, ordnen, darstellen"

Dr. Judith Blume
Dr. Vera Hierholzer (bis 2018)
Dr. Lisa Regazzoni (bis 2020)

Team der Jubiläumsausstellung

Dr. Charlotte Trümpler (Projektleitung und Kuratorin; Autorenkürzel: CT)
Dr. Judith Blume (Kuratorin, Autorenkürzel: JB)
Dr. Vera Hierholzer (Kuratorin, Autorenkürzel: VH)
Dr. Lisa Regazzoni (wissenschaftliche Mitarbeit, Autorenkürzel: LR)

Fotografien

Die Fotografien wurden von den einzelnen Sammlungen oder Autoren zur Verfügung gestellt sowie von Tom Stern (Sammlungsräume und Objekte), Uwe Dettmar (Objekte) und Jürgen Lechner (Objekte) angefertigt. Die Nachweise finden Sie bei den entsprechenden Abbildungen. Sollte trotz sorgfältiger Recherche ein Rechteinhaber oder Fotograf nicht genannt sein, bitten wir um einen entsprechenden Hinweis.

Filmproduktion

Sophie Edschmidt (Regie und Schnitt)
Philipp Kehm (Kamera)
Philipp Gebbe (Musik)
Dr. Charlotte Trümpler (Idee und Beratung)


Finanzierung


Haftungsausschluss/Disclaimer

Die Studiengruppe "sammeln, ordnen, darstellen" des Forschungszentrums für Historische Geisteswissenschaften der Goethe-Universität Frankfurt übernimmt keinerlei Verantwortung für die Inhalte von Webseiten, welche durch die auf unseren Seiten angeführten Links erreichbar sind. Die auf solchen Webseiten wiedergegebenen Meinungen und/oder Tatsachenbehauptungen liegen in der alleinigen Verantwortung der/des jeweiligen Autorin/Autors. Da wir auf Änderungen durch Autoren externer Webseiten keinerlei Einfluss haben, weisen wir ferner ausdrücklich darauf hin, dass wir uns Texte oder Aussagen Dritter, welche durch Links auf externen Webseiten zugänglich sind, in keiner Weise zu eigen machen.