Medaillon

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Datierung

Abguss 19. Jahrhundert

Maße

D 8,8 cm

Material

Gips

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Medaillon

© Institut für Archäologische Wissenschaften, Abt.II

Ein bedeutungsvoller Gipsabguss

von Anna Langgartner

In einer Sammlung, die rund 20.000 Gipsabgüsse antiker Münzen und etliche andere Reproduktionen von Münzen aus Schwefel, Metall und Siegellack umfasst – so könnte man meinen –, würde einem einzelnen Abguss keine besondere Stellung zukommen. Doch beim Abguss eines Marc-Aurel-Medaillons ist gerade dies nicht der Fall.

Genau genommen besteht der Abguss aus zwei Teilen, da Vorder- und Rückseite des originalen Medaillons getrennt voneinander abgenommen wurden. So entstanden zwei Teilabgüsse aus weißem Gips von gleicher Form und Größe, jedoch mit unterschiedlichen Motiven. Im zentralen Bildfeld der Vorderseite sind zwei Porträts in Seitenansicht dargestellt: zwei bärtige Männer mit dichtem gelocktem Haar und ähnlicher Physiognomie. Beide Porträts enden am Übergang von Hals zur Brust, wo der Ansatz ihrer Bekleidung in einem um den Brustbereich geschlungenen Stück Stoff zum Ausdruck kommt, wohl ein Mantel. Sie sind einander zugewandt und scheinen sich in die Augen zu blicken. Eine Inschrift, die rund um die beiden Köpfe verläuft, lautet »IMP M ANTO- NINVS AVG COS III IMO L VERVS AVG COS III«. Sowohl die lateinische Inschrift als auch ein stilistischer Vergleich mit römischen Kaiserporträts zeigt, dass es sich bei den Köpfen um die beiden römischen Kaiser Marc Aurel (links) und Lucius Verus (rechts) handelt, die gemeinsam zwischen 161 und 169 n. Chr. regierten. Der Gipsabguss ist im Bereich des Bildfeldes relativ gut erhalten, lediglich ein Stück oberhalb des Ohres von Marc Aurel ist abgeplatzt. Der Rand jedoch weist zahlreiche Bestoßungen auf.

Die Rückseite ist ähnlich gegliedert: Die Mitte besteht aus einem runden Bildfeld, welches von einem breiten, stärker differenzierten Rahmen umschlossen wird. Das Bildfeld ziert ein von vier Pferden gezogener Wagen, eine Quadriga. Auf diesem steht eine geflügelte und gepanzerte Viktoria, die Personifikation des Sieges. Wagen und Pferde besitzen eine Standlinie, unterhalb derer die Inschrift »VICT GERM« zu lesen ist. Oberhalb der Quadriga befindet sich halbrund die Inschrift »IMP VICOS III«. Die Inschriften verweisen auf die militärischen Erfolge der Kaiser in Germanien.

Das Original der beiden Gipsabgüsse ist ein Medaillon aus Bronze, welches wohl wäh- rend des 2. Jahrhunderts n. Chr. unter Marc Aurel geprägt wurde. Dieses antike Medaillon gehörte im 19. Jahrhundert zu der privaten Sammlung von Francesco Gnecchi (1847 – 1919). Gnecchi war an antiker Numismatik interessiert und zählte zu den eifrigsten Sammlern seiner Zeit. Bei seinem Tod im Jahre 1919 umfasste seine Sammlung rund 20.000 Exemplare. Doch er war nicht nur leidenschaftlicher Sammler, sondern auch Förderer der numismatischen Forschung, sodass er zusammen mit seinem Bruder Erco- le Gnecchi 1888 die Zeitschrift Rivista Italiana di Numismatica gründete. Diese numismatische Fachzeitschrift erscheint bis heute. Den Einband der ersten Ausgabe von 1888 zierte eine Abbildung des Medaillons in Gips – erstaunlicherweise nicht des Originals aus Bronze. Es handelt sich genau um das Exemplar, das sich im Archäologischen Institut der Goethe-Universität befindet. Die hiesigen Abgüsse stammen somit aus dem 19. Jahrhundert. Nach Frankfurt gelangten sie als Dauerleihgabe des Deutschen Archäologischen Institutes (DAI) in Rom. Wie die Abgüsse aus dem Besitz Gnecchis in den Besitz des DAI gelangten, ist nicht bekannt.

Die Abgüsse des Marc Aurel-Medaillons spielen somit eine zentrale Rolle in der frühen numismatischen Forschung. Dadurch sichern sie sich eine besondere Stellung innerhalb der Frankfurter Sammlung von Abgüssen antiker Münzen und stechen aus der riesigen Masse von über 20.000 Objekten deutlich heraus.

Anna Langgartner war 2014 Studentin der Klassischen Archäologie. Der Text entstand im Rahmen der Jubiläumsausstellung „Ich sehe wunderbare Dinge. 100 Jahre Sammlungen der Goethe Universität“ und wurde im Katalog veröffentlicht. Dieses Objekt war in der Jubiläumsausstellung "Ich sehe wunderbare Dinge. 100 Jahre Sammlungen der Goethe-Universität" 2014/2015 zu sehen. Der erläuternde Text wurde für die Ausstellung bzw. den begleitend erschienenden Katalog verfasst.

Literatur

Francesco Gnecchi: Medaglione? Osservatione a propositodi un bronzo colle effigie di Marc´Aurelio e Lucio Vero appartenente al R. gabinetto di Brera, Appunti di Numismatica Romana 14, 1890, S. 495–506.

Susanne Börner: Marc Aurel im Spiegel seiner Münzen und Medaillons. Eine vergleichende Analyse der stadtrömischen Prägungen zwischen 138 und 180 n. Chr., Bonn 2012.

Claudia Perassi: I medaglioni romani di Francesco Gnecchi. „Aspirazione suprema della mia carriera numismatica“, in: Rivista Italiana di Numismatica 113, 2012, S. 57–80.

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Entstehungskontext

Die Plattform wurde von der Studiengruppe "sammeln, ordnen, darstellen" am Forschungszentrum für Historische Geisteswissenschaften entwickelt und im Rahmen der Jubiläumsfeierlichkeiten der Goethe-Universität im Jahr 2014 eröffnet. Ihr Aufbau war eng mit der Ausstellung „Ich sehe wunderbare Dinge. 100 Jahre Sammlungen der Goethe-Universität“ verknüpft, die von Oktober 2014 bis Februar 2015 im Museum Giersch der Goethe-Universität zu sehen war. Viele der Objekterzählungen waren auch in der Ausstellung zu lesen und sind im Katalog abgedruckt worden; viele Ausstellungstexte haben wiederum den Weg in die Plattform gefunden. Ebenso wurden die auf der Plattform gezeigten Filme sowie viele der Fotografien eigens für die Ausstellung produziert.

Leitung der Studiengruppe "sammeln, ordnen, darstellen"

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