Wachsfigur (Darstellung eines Erdferkels)

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Signatur

OKA-O 043

Urheber

unbekanntes Mitglied der Kxoé

Datierung

1960er Jahre

Maße

Länge: 9cm, Höhe: 5cm, Breite: 3 cm

Material

Wachs

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Wachsfigur (Darstellung eines Erdferkels)

© Foto: Tom Stern, Copyright: Marketing und Kommunikation, Goethe-Universität

Gespannt warten sie in ihren Kisten

von Charlotte Rottmair

Eine kleine Figur, dunkel und doch glänzend. Sie besteht aus Wachs. Es ist die Figur eines Tieres, nicht sehr groß, sie steht auf vier Beinen und hat einen Schwanz, der dem eines Kängurus ähnelt. An den Pfoten lassen sich Krallen erkennen. Die Ohren sind abstehend. Die Schnauze des Tieres ist wie ein Rüssel lang nach vorne gezogen. Die Nase sieht aus wie die eines Schweins. Wer sich im Tierreich auskennt, weiß: es ist ein Erdferkel.

Erdferkel sehen aus, wie eine Mischung aus einem Känguru und einem Schwein. Sie sind nachtaktive Tiere und leben als Einzelgänger. Die Krallen an ihren Pfoten nutzen sie, um sich ein Erdloch zu graben, in dem sie wohnen. Ihre Hauptnahrungsquelle sind Termiten. Verbreitet sind sie in Afrika, südlich der Sahara. Sie bevorzugen Grasland, Savannen und offenes Buschland. Feinde des Erdferkels sind Löwen, Hyänen und Leoparden. Und in der Vergangenheit natürlich, nicht zu vergessen, Menschen, die sie jagten und verspeisten. Im Süd-Westen Afrikas, dem heutigen Namibia, lebt eine Volksgruppe, die sich selbst als „Kxoé“ bezeichnet, auch sie jagten früher Erdferkel. Lange Zeit lebten die Kxoé als Jäger und Sammler. Mit der Kolonialisierung des südlichen Afrikas änderte sich ihre Lebensweise jedoch drastisch.

Der deutsche Afrikanist Oswin Köhler reagierte darauf, indem er versuchte, ihre traditionelle Lebensweise festzuhalten und gleichzeitig ihren Wandel zu berücksichtigen. Oswin Köhler erforschte zwischen 1959 und 1992 die Sprache und Kultur der Kxoé. In dieser Zeit unternahm er über zwanzig mehrmonatige Expeditionsreisen zu den Kxoé und sammelte in Gesprächen und Tonaufnahmen Informationen zu Sprache und Alltag . Die Berichte der Kxoé schrieb er in ihrer eigenen Sprache nieder und übersetzte diese später ins Deutsche. Sie wurden themenartig zusammengefasst und in einem bisher drei Bände umfassenden Enzyklopädie „Die Welt der Kxoé-Buschleute“ veröffentlicht, zwei weitere Lexika sind geplant. Auf Basis der sprachlichen Kommunikation erforschte Köhler also nicht nur die Sprache, sondern auch die Lebensweise der Kxoé.

Die kleine Erdferkel-Wachsfigur hat Oswin Köhler von einer seiner Feldforschungen mit nach Deutschland gebracht. Heute befindet sie sich im Oswin-Köhler-Archiv an der Goethe-Universität, das den Nachlass des Afrikanisten verwaltet. Es ist nicht die einzige Wachsfigur, die in dem Archiv lagert. Viele Figuren lassen sich finden, die mit Berichten der Kxoé in Verbindung gebracht werden können. Sie zeigen Tiere, die im alltäglichen Leben der Kxoé eine Rolle gespielt haben. Waren die Wachsfiguren vielleicht Kinderspielzeug? Die Mitarbeiter des Archivs können dies nicht ausschließen. Wachs war ein Überbleibsel aus der Honiggewinnung und wurde bei den Kxoé häufig zur Herstellung von Kinderspielzeug in Form von kleinen Figuren, die Tieren oder Menschen ähnelten, genutzt. Die dunkle Farbe erhielt das Wachs durch Asche, welche durch Buschbrände in der heißen Jahreszeit entstand und sich mit der Zeit in dem sandigen Boden ansammelte.

Ob das Objekt ein Geschenk der Kxoé an Oswin Köhler war oder ob er es selbst für Forschungszwecke mitgenommen hat oder gar anfertigen ließ, ist nicht ganz gewiss. So wie Oswin Köhler beschäftigt sich die Afrikanistik an der Goethe-Universität mit Forschungen, die über den Weg der einheimischen Sprachen Zugang zu Kultur, Gesellschaft und Geschichte der afrikanischen Völker sucht. Dabei spielen Artefakte eigentlich selten eine entscheidende Rolle. Das Erdferkel ist also quasi in sein Erdloch zurückgekehrt. Als Relikt einer Forschung ruht es vor sich hin liegend, in Kisten verpackt, in den Regalen und wartet darauf aus den Kisten geholt zu werden.

Charlott Rottmair war im Sommersemester 2013 Studentin der Kunstgeschichte. Der Text entstand im Rahmen der Lehrveranstaltung der Studiengruppe „sammeln, ordnen, darstellen“.

IMPRESSUM


Haben Sie Anregungen, Fragen oder Ergänzungen?

Wir freuen uns über Ihre Email an: sammlungen[at]uni-frankfurt.de

Konzept, Entwicklung und Herausgabe der Plattform

Dr. Judith Blume (heute: Koordinatorin der Sammlungen an der Goethe-Universität)
Dr. Vera Hierholzer (bis 2018; heute: Direktorin des Museums für Industriekultur in Osnabrück)
Dr. Lisa Regazzoni (bis 2020; heute: Professur für Theorie der Geschichte an der Universität Bielefeld)

Betreuung der Plattform

Dr. Judith Blume
Koordinatorin der Sammlungen an der Goethe-Universität
Universitätsbibliothek J.C. Senckenberg
Bockenheimer Landstraße 134-138
60325 Frankfurt/Main
Tel: 0049-(0)69-798-39197
J.Blume [at] ub.uni-frankfurt.de

Programmierung

Sven Winnefeld
www.winkin-verlag.de

Design

FGS Kommunikation – Steffen Grzybek, Martin Schulz GbR
www.fgs-kommunikation.de

Developed By

Jatinkumar Nakrani
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Entstehungskontext

Die Plattform wurde von der Studiengruppe "sammeln, ordnen, darstellen" am Forschungszentrum für Historische Geisteswissenschaften entwickelt und im Rahmen der Jubiläumsfeierlichkeiten der Goethe-Universität im Jahr 2014 eröffnet. Ihr Aufbau war eng mit der Ausstellung „Ich sehe wunderbare Dinge. 100 Jahre Sammlungen der Goethe-Universität“ verknüpft, die von Oktober 2014 bis Februar 2015 im Museum Giersch der Goethe-Universität zu sehen war. Viele der Objekterzählungen waren auch in der Ausstellung zu lesen und sind im Katalog abgedruckt worden; viele Ausstellungstexte haben wiederum den Weg in die Plattform gefunden. Ebenso wurden die auf der Plattform gezeigten Filme sowie viele der Fotografien eigens für die Ausstellung produziert.

Leitung der Studiengruppe "sammeln, ordnen, darstellen"

Dr. Judith Blume
Dr. Vera Hierholzer (bis 2018)
Dr. Lisa Regazzoni (bis 2020)

Team der Jubiläumsausstellung

Dr. Charlotte Trümpler (Projektleitung und Kuratorin; Autorenkürzel: CT)
Dr. Judith Blume (Kuratorin, Autorenkürzel: JB)
Dr. Vera Hierholzer (Kuratorin, Autorenkürzel: VH)
Dr. Lisa Regazzoni (wissenschaftliche Mitarbeit, Autorenkürzel: LR)

Fotografien

Die Fotografien wurden von den einzelnen Sammlungen oder Autoren zur Verfügung gestellt sowie von Tom Stern (Sammlungsräume und Objekte), Uwe Dettmar (Objekte) und Jürgen Lechner (Objekte) angefertigt. Die Nachweise finden Sie bei den entsprechenden Abbildungen. Sollte trotz sorgfältiger Recherche ein Rechteinhaber oder Fotograf nicht genannt sein, bitten wir um einen entsprechenden Hinweis.

Filmproduktion

Sophie Edschmidt (Regie und Schnitt)
Philipp Kehm (Kamera)
Philipp Gebbe (Musik)
Dr. Charlotte Trümpler (Idee und Beratung)


Finanzierung


Haftungsausschluss/Disclaimer

Die Studiengruppe "sammeln, ordnen, darstellen" des Forschungszentrums für Historische Geisteswissenschaften der Goethe-Universität Frankfurt übernimmt keinerlei Verantwortung für die Inhalte von Webseiten, welche durch die auf unseren Seiten angeführten Links erreichbar sind. Die auf solchen Webseiten wiedergegebenen Meinungen und/oder Tatsachenbehauptungen liegen in der alleinigen Verantwortung der/des jeweiligen Autorin/Autors. Da wir auf Änderungen durch Autoren externer Webseiten keinerlei Einfluss haben, weisen wir ferner ausdrücklich darauf hin, dass wir uns Texte oder Aussagen Dritter, welche durch Links auf externen Webseiten zugänglich sind, in keiner Weise zu eigen machen.