von Richard Kuba
Dass die Sahara nicht immer eine menschenfeindliche Wüste war, davon zeugen beeindruckende Bilder, die Menschen dort vor bis zu 12.000 Jahren in Felsen einritzten. Sie zeigen, dass sich im Herzen der heutigen Wüste Giraffen, Elefanten, Löwen, ja sogar Krokodile und Nilpferde tummelten. Auf die Idee, dass Klimawandel eine einst grüne Savannenlandschaft ausgetrocknet haben musste, kam bereits der erste europäische Entdecker der saharischen Felsbilder, der Deutsche Heinrich Barth, der 1850 am Rande des Fezzan, im Süden des heutigen Libyen, darauf stieß und sie zum Erstaunen seiner Zeitgenossen bald darauf erstmals veröffentlichte. Heute wissen wir, dass die Austrocknung der Sahara vor rund 5000 Jahren einsetzte und sich bald dramatisch verschärfte. Die oftmals großformatigen geritzten Darstellungen längst verschwundener Tierarten sind damit aber nicht nur Zeugen eines drastischen Klimawandels sondern auch Beweis für das Alter diese Bilder und damit für die fundamentale Fähigkeit des steinzeitlichen Menschen, sich in Bildern symbolisch auszudrücken. Eine Tatsache, die eine von evolutionistischem Gedankengut beherrschte Gelehrtenwelt bis Anfang des 20. Jahrhunderts standhaft verneinte. Zwar war die nordspanische Höhle von Altamira mit ihren fantastischen Deckenfreskos bereits 1878 entdeckt worden, aber erst 1902 gestand die wichtigste Autorität dieser Zeit, der französische Prähistoriker Émile Cartailhac in seinem berühmten Artikel „Mea culpa d’un sceptique“ seine jahrelange Fehleinschätzung ein und den Felsbildern ein prähistorisches Alter zu.
Nicht so der junge Ethnologe Leo Frobenius (1873–1938), der nicht nur an das hohe Alter dieser europäischen Eiszeitkunst glaubte, sondern auch meinte, „daß irgendetwas Lebendiges, wesentlich Seiendes, nicht vollkommen entschwindet, ohne sich in irgendeiner nachfolgenden Zeit weiter fortzupflanzen“. Rückblickend schreibt er zwei Jahre vor seinem Tode: „Dieser junge, damals sicherlich tollkühne Mensch legte sich die Frage vor, weshalb denn nicht etwa die Kultur dieser Periode auch in Afrika heimisch gewesen sein sollte."
Ab 1913 konnte er das zusammen mit Malerinnen und Malern nachprüfen, die er für seine abenteuerlichen Afrikaexpeditionen verpflichtete und die tausende von Felsbildern in Nordafrika, der Sahara und auch im Süden des Kontinents entdeckten und dokumentierten. Besonders in den großformatigen, sorgfältig in den Fels geritzten Tierfiguren der Sahara glaubte Frobenius, das Fortleben der ältesten Höhlenbilder der europäischen Eiszeit ablesen zu können. Diese seien Epigonen des sogenannten franko-cantabrischen Stils, der in der mittleren und jüngeren Steinzeit in den Höhlen Südfrankreichs und Nordspaniens geblüht hatte und der sich ebenfalls durch majestätische Tierdarstellungen auszeichnete. Ein besonders gelungenes Beispiel dafür war die lebensgroße aus zwei Giraffen und einem Elefanten komponierte Felsgravur, die Ruth Assisa Cuno 1932 im südlibyschen In Habeter kopierte – unweit der Stelle, wo schon Heinrich Barth achtzig Jahre zuvor auf ähnliche Bilder stieß.
Wäre es überraschend, wenn ein Maler nicht von dem Erfindungsreichtum und der Ökonomie der Linie in der Darstellung der Körper der Tiere beeindruckt wäre, oder davon, wie die Formen das Auge gleichzeitig führen und verwirren? Nicht nur die begabte Frankfurter Architektentochter Ruth Assisa Cuno (1908–1934), die bereits im Alter von 26 Jahren nach kurzer schwerer Krankheit verstarb, war davon inspiriert, sondern auch viele moderne Künstlerinnen und Künstler, die dieses und weitere „zeitlose“ Felsbilder auf Frobenius‘ zahlreichen Ausstellungen in den 1930er Jahren in Europa und Nordamerika zu sehen bekamen.
Frobenius wollte mithilfe der Felsbilder den frühesten Formen menschlicher Kultur und ihrer Verbindung über Kontinente hinweg nachzuspüren. Mit seinen wissenschaftlichen Thesen lag er oftmals daneben, aber die riesige Dokumentation, die er zu ihrem Beweis anlegte, brachte die großartige afrikanische Felskunst erstmals einem breiten Publikum vor Augen.
Im Falle der Giraffen-Komposition aus In Habeter, Fezzan, verfügt das Archiv des Frobenius-Instituts über eine selten komplette Dokumentation. Nicht zuletzt deswegen werden sie auch im ersten Raum der aktuellen Ausstellung „Frobenius – die Kunst des Forschens“ im Museum Giersch in Szene gesetzt: noch bis 14. Juli 2019.
Neben der Fotografie der Gravur auf dem Felsen in In Habeter mit der Malerin Cuno beim Skizzieren (die Linien wie damals üblich zur besseren Sichtbarkeit mit Kreide nachgefahren), gibt es noch drei weitere Reproduktionen der Gravur.
Eine erste Bleistiftskizze Cunos, in verkleinertem Maßstab.
(c) Frobenius-Institut, Felsbildarchiv, B 01810
Die fertig in Öl auf Leinwand ausgeführte Kopie in Originalgröße von fast 3 Metern Höhe mit ihren doppelten, in Schwarz und Weiß ausgeführten Konturen, die Dreidimensionalität suggerieren.
(c) Frobenius-Institut, Felsbildarchiv, D4 01847
Die Fotografie der Kopie in einer zeitgenössischen Ausstellung – in diesem Falle 1933 in Rom mit Frobenius, der daran seinen Theorien erläutert.
(c) Bundesarchiv, 183-R39674
Richard Kuba ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Frobenius-Institut und Kustos des Felsbildarchivs und des ehtnographischen Bildarchivs.
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