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Moulagen-Sammlung – Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie
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Moulage „Anthrax, linker Unterarm“

Kategorien

Urheber

Ernst Winkler von Mohrenfels

Datierung

circa 1904–1907

Maße

H 58, B 21, T 8 cm

Material

Wachs, Farbe, Leinen, Holz, Eisennägel, Papier

Objekt-Schaufenster

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Moulage „Anthrax, linker Unterarm“

© Foto: Tom Stern, Copyright: Abt. Marketing und Kommunikation, Goethe-Universität

Krankheiten in Wachs

von Barbara Leven

Der Unterarm ist dunkelrot verfärbt und dick geschwollen. Handrücken und Finger wirken wie aufgebläht, die Haut scheint zum Zerreißen gespannt. Blasen besetzen die Haut, weißliche Ausschwitzungen bedecken die bis zum Ellbogen ausgedehnten Blutergüsse. An der Handwurzel befindet sich eine große Blase, teils bedeckt von schwärzlichem Schorf. Wohl von hier nahm, möglicherweise über eine kleine Wunde, die tödliche Infektion ihren Ausgang. Die Diagnose im Städtischen Klinikum Frankfurt lautete: Anthrax, Hautmilzbrand.

Die Krankheit tritt plötzlich auf, sie befällt Tiere und ist auf Menschen übertragbar. Bis Ende des 18. Jahrhunderts war der Milzbrand eine regelmäßig und europaweit auftretende Seuche. Dann ließ sich die Krankheit aufgrund verstärkter hygienischer und seuchenpolizeilicher Maßnahmen eindämmen, jedoch gelang erst in den 1850er Jahren die Entdeckung des Bacillus anthraci. 1877 konnte Robert Koch (1843–1910) die Rolle des Erregers bei der Entstehung der Krankheit nachweisen, seine Publikation über „Die Aetiologie der Milzbrandkrankheit“ gilt als maßgeblich für die Begründung der Bakteriologie. Mit der Entdeckung des Antibiotikums 1928 durch Alexander Fleming (1881–1955) wurde es möglich, den Milzbrand medizinisch weitgehend zu beherrschen. Heute kommt es laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Deutschland nur noch selten zu Milzbrand-Fällen, jedoch ist die Krankheit in Asien, Afrika und Südamerika nach wie vor verbreitet.

Die Entdeckung des Antibiotikums kam für den Patienten in Frankfurt zu spät: Er wurde bereits Anfang des 20. Jahrhunderts im Klinikum aufgenommen, sein Fall mittels dieser Moulage, eines Wachsabgusses, erfasst. Auf dem ersten Weltkongress für Dermatologie und Syphilographie 1889 in Paris hatte die Moulage ihren Durchbruch als medizinisches Lehr- und Studienmittel und fand nun als solches in Krankenhäusern und Universitäten in ganz Europa Verwendung. Einfühlungsvermögen gegenüber den Patienten und künstlerisches Können waren bei der Herstellung vonnöten: Mit Gips wurde die betroffene Körperstelle abgeformt und das Gipsnegativ mit Wachs ausgegossen. Das Wachspositiv wurde realitätsnah gestaltet, im Hautton eingefärbt, mit Farbe nachbearbeitet und Haare wurden eingesetzt. Die Frankfurter Moulagen wurden in helle Leinenstreifen eingefasst und mit kleinen Nägeln auf schwarz lackierten Holzbrettern befestigt. Bei der Anthrax-Moulage sind auf der Vorderseite des Holzbretts zwei Papieretiketten aufgebracht. Auf der einen ist handschriftlich der medizinische Befund, auf der anderen eine Nummer vermerkt, die auf eine heute unbekannte Systematisierung der Sammlung verweist. Die Moulage trägt an der Vorderseite des schwarzen Trägerbretts zudem den Namenszug „E. Winkler“. Winkler war unter Karl Herxheimer (1861–1942), dem Mitbegründer und ersten Inhaber des Lehrstuhls für Haut- und Geschlechtskrankheiten der Universität Frankfurt, vermutlich der erste fest angestellte Wachskünstler am Klinikum. Über den Mouleur, der wohl vollständig Ernst Winkler von Mohrenfels hieß und in den Städtischen Meldeunterlagen im Stadtarchiv Frankfurt am Main als „Krankenpfleger“ geführt ist, weiß man nicht viel: Er kam 1904 aus Heidelberg nach Frankfurt und starb laut Sterberegister der Stadt Frankfurt 1907 30-jährig an einem Herzfehler. Die Nachfolge Winklers trat eine Frau an, wie die Festschrift zum Kongress der Dermatologischen Gesellschaft 1908 in Frankfurt unter dem Personal „1 Moulageuse“ – allerdings ohne Namen – aufführt. Bis zur Emeritierung Herxheimers wurde die Sammlung stetig erweitert, in der Hautklinik sogar ein Atelier eingerichtet.

Mit Durchsetzung der Farbfotografie in der medizinischen Dokumentation verlor die Moulage aber seit Mitte des 20. Jahrhunderts an Bedeutung. Auch in Frankfurt wurde die Sammlung nicht weiter ausgebaut – wenngleich man sich stets um den Bestand bemühte: So bewirkte Oscar Gans (1888–1983), seit 1949 Direktor der Universitätshautklinik, eine hohe Sonderzahlung für die Wachsabbildungen, die sich nach dem Krieg in einem „bejammernswerten Zustand“ befanden. Dies geht aus einem Brief von Gans an das Kuratorium der Goethe-Universität hervor, der im Universitätsarchiv Frankfurt am Main aufbewahrt wird. Erhalten blieben von dem zu Blütezeiten der Sammlung rund 1000 Objekte umfassenden Bestand dennoch nur rund 200 Stück, die derzeit in der Hautklinik der Universität verwahrt werden. Noch heute kommen sie ihres hohen Anschauungswertes wegen bei Prüfungen zum Einsatz. Die eindrucksvolle Moulage des Anthrax-Arms ist eine von ihnen.

Die Autorin war 2013 Doktorandin der Kunstgeschichte. Der Text entstand im Kontext der Studiengruppe „sammeln, ordnen, darstellen“ und wurde im Katalog der Jubiläumsausstellung „Ich sehe wunderbare Dinge. 100 Jahre Sammlungen der Goethe Universität“ veröffentlicht. Dieses Objekt war in der Jubiläumsausstellung "Ich sehe wunderbare Dinge. 100 Jahre Sammlungen der Goethe-Universität" 2014/2015 zu sehen. Der erläuternde Text wurde für die Ausstellung bzw. den begleitend erschienenden Katalog verfasst.

Literatur

Peter Altmeyer, Ingrid Menzel, Hans Holzmann: Die Moulagen-Sammlung der Frankfurter Hautklinik, Frankfurt am Main o. J.

Johanna Lang, Sandra Mühlenberend, Susanne Roeßiger (Hg.): Körper in Wachs. Moulagen in Forschung und Restaurierung, Dresden 2010.

Tomas Lottermoser: Milzbrand – ein Beitrag zur Geschichte der Krankheiten, Berlin 1998.

Thomas Schlich: Milzbrand, in: Enzyklopädie der Medizingeschichte, hg. v. Werner Gerabek, Berlin 2004, S. 992f.

Thomas Schnalke: Die medizinische Moulage zwischen Lehrsammlung und Museum, in: Medizinhistorisches Journal 28, 1993, S. 55–85.

IMPRESSUM


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Wir freuen uns über Ihre Email an: sammlungen[at]uni-frankfurt.de

Konzept, Entwicklung und Herausgabe der Plattform

Dr. Judith Blume (heute: Koordinatorin der Sammlungen an der Goethe-Universität)
Dr. Vera Hierholzer (bis 2018; heute: Direktorin des Museums für Industriekultur in Osnabrück)
Dr. Lisa Regazzoni (bis 2020; heute: Professur für Theorie der Geschichte an der Universität Bielefeld)

Betreuung der Plattform

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Koordinatorin der Sammlungen an der Goethe-Universität
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Programmierung

Sven Winnefeld
www.winkin-verlag.de

Design

FGS Kommunikation – Steffen Grzybek, Martin Schulz GbR
www.fgs-kommunikation.de

Developed By

Jatinkumar Nakrani
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Entstehungskontext

Die Plattform wurde von der Studiengruppe "sammeln, ordnen, darstellen" am Forschungszentrum für Historische Geisteswissenschaften entwickelt und im Rahmen der Jubiläumsfeierlichkeiten der Goethe-Universität im Jahr 2014 eröffnet. Ihr Aufbau war eng mit der Ausstellung „Ich sehe wunderbare Dinge. 100 Jahre Sammlungen der Goethe-Universität“ verknüpft, die von Oktober 2014 bis Februar 2015 im Museum Giersch der Goethe-Universität zu sehen war. Viele der Objekterzählungen waren auch in der Ausstellung zu lesen und sind im Katalog abgedruckt worden; viele Ausstellungstexte haben wiederum den Weg in die Plattform gefunden. Ebenso wurden die auf der Plattform gezeigten Filme sowie viele der Fotografien eigens für die Ausstellung produziert.

Leitung der Studiengruppe "sammeln, ordnen, darstellen"

Dr. Judith Blume
Dr. Vera Hierholzer (bis 2018)
Dr. Lisa Regazzoni (bis 2020)

Team der Jubiläumsausstellung

Dr. Charlotte Trümpler (Projektleitung und Kuratorin; Autorenkürzel: CT)
Dr. Judith Blume (Kuratorin, Autorenkürzel: JB)
Dr. Vera Hierholzer (Kuratorin, Autorenkürzel: VH)
Dr. Lisa Regazzoni (wissenschaftliche Mitarbeit, Autorenkürzel: LR)

Fotografien

Die Fotografien wurden von den einzelnen Sammlungen oder Autoren zur Verfügung gestellt sowie von Tom Stern (Sammlungsräume und Objekte), Uwe Dettmar (Objekte) und Jürgen Lechner (Objekte) angefertigt. Die Nachweise finden Sie bei den entsprechenden Abbildungen. Sollte trotz sorgfältiger Recherche ein Rechteinhaber oder Fotograf nicht genannt sein, bitten wir um einen entsprechenden Hinweis.

Filmproduktion

Sophie Edschmidt (Regie und Schnitt)
Philipp Kehm (Kamera)
Philipp Gebbe (Musik)
Dr. Charlotte Trümpler (Idee und Beratung)


Finanzierung


Haftungsausschluss/Disclaimer

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