Giftpfeil, qárà-Pfeil

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Signatur

OKA-O 253

Datierung

um 1965

Maße

Länge gesamt: 58 cm, Metallspitze: 20cm davon 14cm bastumwickelt mit Gift

Material

Pfeilspitze aus geschmiedetem Eisen, Schaft aus Grewia flava („Brandybush“ oder „Velvet Raisin“ = mehrstämmig, dichtverzweigter Strauch bis 4 Meter Höhe), Umwickelt mit Bast, Gift

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Giftpfeil, qárà-Pfeil

Wie wir Kxoé-Buschleute mit einem Giftpfeilpfeil jagen gehen

von Charlotte Rottmair

Gòmbò ist ein Mann aus dem Volk der Kxoé. Er lebt in Südwestafrika, dem heutigen Namibia. Gòmbò hat einen Giftpfeil hergestellt. Dazu hat er einen gerade gewachsenen Zweig der Grewia flava geglättet, dieser dient als Schaft. Die geschmiedete Spitze aus Eisen setzt er in den Schaft ein, mit einer Tiersehne umwickelt er die Spitze, auf die er das Gift einer Raupe aufträgt. Nach dem Herstellen nimmt er seinen Köcher, Pfeil und Bogen und entfernt sich mit Gefährten von seinem Wohnplatz. Sie sind unterwegs, um zu jagen. Sie müssen eine ganze Weile laufen, bis einer der Gefährten ihnen ein Zeichen gibt. Er hat die Spur eines Tieres gefunden. Bei näherer Untersuchung sehen sie, dass es eine sehr frische Spur ist. Sie haben gute Chancen das Tier zu finden und zu erlegen. Nun ist absolute Stille bei den Jägern eingekehrt. Sie folgen langsam der Spur. Plötzlich hält Gòmbò inne. Das Tier steht wenige Meter vor ihnen, scheint sie aber noch nicht bemerkt zu haben. Gòmbò spannt seinen Bogen und ist bereit zum Schuss. Er konzentriert sich nun ganz auf das Tier. Kurz prüft er noch, von welcher Seite der leicht wehende Wind kommt. Seine Gefährten sind ganz still und bewegen sich nicht. Plötzlich ist ein leises Surren zu hören. Das Nachklingen des Bogens und der Pfeil, der durch die Luft fliegt. Das Tier hebt aufgeschreckt den Kopf. Doch es ist zu spät, der Pfeil trifft seinen Hals, die Spitze dringt ins Fleisch ein, Blut fließ aus der kleinen Wunde, der Schaft löst sich und fällt zu Boden. Gòmbò hat alles richtig gemacht. Die Pfeilspitze, die den Hals des Tieres getroffen hat, hat es ermöglicht, dass das an dem Pfeil haftende Gift in die Wunde gelangt und langsam zu wirken anfängt. Das kann Stunden dauern, und so warten die Jäger eine längere Zeit, bevor sie der Beute folgen. Das Tier soll ja nicht verschreckt werden. Der heruntergefallene Schaft ist ganz geblieben, er kann wieder verwendet werden.

Es ist eine traditionelle Weise des Volkes der Kxoé, ein Tier zu jagen. Aber es ist ein Blick in die Vergangenheit. Der Lebensraum der Kxoé in Südwestafrika wurde in der Kolonialzeit dramatisch verändert, und ebenso änderte sich auch die Lebensweise der Kxoé. Aufgrund von Verboten konnten sie ihre traditionelle Lebensweise als Jäger und Sammler nicht mehr ausleben. Sie sollten sich an die westlich geprägte Welt anpassen. Auch die Jagd wurde ihnen verboten. Einige der Kxoé-Buschmänner jagten heimlich weiter, ein Großteil von ihnen gab die Jagd jedoch auf und begann, bei weißen Arbeitgebern als Farm- oder Minenarbeiter zu arbeiten. So verschwand ihre traditionelle Lebensweise langsam, aber sicher. Oswin Köhler, Afrikanist an der Universität zu Köln, erforschte zwischen 1959 und 1992 die Sprache und Kultur der Kxoé. Er reiste nach Afrika, um seine Studien vor Ort anzufertigen. Die Besonderheit seiner Forschung lag darin, sich ausführlich mit den Kxoé-Buschleuten zu unterhalten und ihre Berichte aufzuzeichnen. Transkribiert und ins Deutsche übersetzt wurden sie themenartig zusammengefasst und in einer bisher drei Bände umfassenden Enzyklopädie veröffentlicht.

Von seinen Aufenthalten in Afrika brachte Oswin Köhler immer wieder auch Geschenke und Alltagssgegenstände der Kxoé mit. So auch den qárà- Giftpfeil. Der Pfeil steht heute als Vertreter einer vergangenen Zeit, der die Kxoé in ihrer traditionellen Kultur darstellt. So wichtig es sein mag, eine Kultur, die sehr reich an Wissen ist, zu bewahren, sollte jedoch immer auch bedacht werden, dass die Kxoé heute nicht mehr auf traditionelle Art leben. Der Pfeil ist zu einem Zeugnis der vergangenen Kultur eines Volkes geworden, die durch den Wandel der Zeit verloren gegangen ist. Doch an der Universität, in einer Vitrine liegend, steht er als Vertreter für das Erforschte und dient als lehrendes Objekt, welches seine Aktualität nicht verlieren wird.

Charlott Rottmair war im Sommersemester 2013 Studentin der Kunstgeschichte. Der Text entstand im Rahmen der Lehrveranstaltung der Studiengruppe „sammeln, ordnen, darstellen“.

Literatur

Beyer, Gert und Maximilian Knötziger, Wahrnehmen und Gestalten. Anleitung zur Kunst- und Werkerziehung für Eltern und Erzieher, München 1981.

Boden, Gertrud, Kxoé Material Culture. Aspects of Change and its Documentation Subsistence Equipment, Working Paper 16, Köln: Khoisan- Forum 2000.

Boden, Gertrud, Prozesse sozialen Wandels vor dem Hintergrund staatlicher Eingriffe. Eine Fallstudie zu den Khwe in West Caprivi/ Namibia, Philosophische Fakultät der Universität zu Köln 2003.

Harding, Leonhard, Geschichte Afrikas im 19. und 20. Jahrhundert, Oldenbourg Grundriss der Geschichte Band 27, München 2013.

Köhler, Oswin, Die Welt der Kxoé-Buschleute im südlichen Afrika. Band 1-3, Berlin 1989.

Schuerkens, Ulrike, Geschichte Afrikas. Eine Einführung, Köln Weimar Wien 2009.

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Entstehungskontext

Die Plattform wurde von der Studiengruppe "sammeln, ordnen, darstellen" am Forschungszentrum für Historische Geisteswissenschaften entwickelt und im Rahmen der Jubiläumsfeierlichkeiten der Goethe-Universität im Jahr 2014 eröffnet. Ihr Aufbau war eng mit der Ausstellung „Ich sehe wunderbare Dinge. 100 Jahre Sammlungen der Goethe-Universität“ verknüpft, die von Oktober 2014 bis Februar 2015 im Museum Giersch der Goethe-Universität zu sehen war. Viele der Objekterzählungen waren auch in der Ausstellung zu lesen und sind im Katalog abgedruckt worden; viele Ausstellungstexte haben wiederum den Weg in die Plattform gefunden. Ebenso wurden die auf der Plattform gezeigten Filme sowie viele der Fotografien eigens für die Ausstellung produziert.

Leitung der Studiengruppe "sammeln, ordnen, darstellen"

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Dr. Vera Hierholzer (bis 2018)
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Dr. Judith Blume (Kuratorin, Autorenkürzel: JB)
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Philipp Kehm (Kamera)
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