von Shanay Ferrara
Die Lebenserinnerungen Bernhard Dondorfs
Im Herbst 2022 verließen die letzten Institute der Goethe-Universität das ehemalige Unigebäude der Dondorf-Druckerei in der Sophienstraße in Bockenheim und zogen auf den Campus Westend um. Nachfolger sollte das Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik (MPIEA) sein, gegen dessen Abrisspläne für das Gebäude 2023 heftig protestiert wurde. Anfang Juni 2024 zog das MPIEA seine Pläne zurück. Die SCHIRN soll das Gebäude nun vorübergehend beziehen. Um die Pläne für die Erhaltung des 1890 erbauten Erweiterungsgebäudes der Druckerei wurde in den vergangenen Jahren gestritten. Mit der Nutzung der SCHIRN steht nun fest, das Gebäude bleibt zunächst erhalten und damit auch ein Stück Frankfurter Geschichte.
Die Universitätsbibliothek J.C. Senckenberg befindet sich nicht nur in direkter Nachbarschaft zum ehemaligen Druckereigebäude, in ihren Sammlungen befinden sich auch Teile des Dondorf'schen Nachlasses. Neben Kinderbüchern (Alltagsleben im 19. Jahrhundert / Dreißig Bilder für gute Kinder, Aschenbrödel und Fritzchens erste Reise) und Spielkarten, liegen in der Handschriftenabteilung der Universitätsbibliothek die Lebensbeschreibungen Dondorfs, eigenhändig von ihm verfasst und 1898-99 veröffentlicht. Auf Bitte der Initiative Dondorf-Druckerei wurden die Objekte 2024 digitalisiert und stehen einer Transkription zur Verfügung: Neuzeitliche Handschriften / Ms. Ff. B. Dondorf Bd. 1 - Jugend, Königstein. Aberglauben, Glauben, Unglauben. Stern, Burkhardt (uni-frankfurt.de) | Neuzeitliche Handschriften / Ms. Ff. B. Dondorf Bd. 2 - Fussreise im Jahr 1829. Haus Klüberstrasse (uni-frankfurt.de). Die Sammlungsstücke wurden auch bei der Veranstaltung "Dondorf - ein Stück Frankfurter Stadtgeschichte. Einblicke in Forschungen und Aktivitäten der Initiative Dondorf Druckerei" anlässlich der Finissage der Ausstellung "Leerstand und Utopie - Die Kämpfe um den Campus Bockenheim" präsentiert. Die Kuratorinnen und Kuratoren der Ausstellung und die Initiative Dondorf-Druckerei gaben Einblicke in verschiedene Aspekte der Geschichte der Dondorf'schen Druckerei.
Der aus Frankfurt stammende Bernhard Dondorf (1809-1902) war Lithograf, Druckunternehmer und Politiker der Freien Stadt Frankfurt. Nach seinem Schulabschluss 1823 im Frankfurter jüdischen Philanthropin absolvierte er von 1824 bis 1828 eine Ausbildung zum Lithografen in Zeichnung und Schrift bei der Druckerei C. Naumann in Frankfurt. In seinen in weiches Leder eingebundenen Nachlassbüchern, die er als Erinnerung für seine Kinder und Nachfahren verfasst hat, berichtet er über seine Jugend in einer Kaufmannsfamilie, seinen beruflichen Werdegang und seine zahlreichen Reisen. Auch Briefe an seine Liebsten und Glückwunschkarten zu seinen Geburtstagen sind darin gesammelt. Durch seine Beschreibungen des belebten Frankfurts lässt er Bilder des Alltags in der Stadt im 19. Jahrhundert entstehen und erwähnt auch die eine oder andere bekannte Person in seinem sozialen Umfeld, wie den Bankier Freiherrn Moritz von Bethmann.
Um seine drucktechnischen Kenntnisse zu erweitern, begab Dondorf sich im Laufe seines Lebens auf zahlreiche Reisen. Er berichtet von seiner Zeit in Berlin und Paris, Dresden, München und Wien ab 1828. Später bereiste er das heutige Frankreich, England, Schottland, Irland, Italien, die iberische Halbinsel, Sizilien, Griechenland und kam bis Gibraltar und Tanger. Nach seiner Rückkehr nach Frankfurt legte er am 1. April 1833 den israelitischen Bürgereid als Lithograf ab. Damit erhielt er die Bürgerrechte und auch die Genehmigung eine Druckerei zu eröffnen. Am 2. April 1833 folgte prompt die Gründung seiner ersten lithografischen Anstalt in der Saalgasse 27 in der Frankfurter Altstadt. 1872-1873 erfolgte der Neubau der Fabrik an der Bockenheimer Landstraße in der Nähe zum Palmengarten. Die Lage war günstig, denn auf das einstmals unbebaute Gebiet folgte 1883 das Straßenbahndepot entlang der Bockenheimer Landstraße. Dondorf entwickelte neue Drucktechniken und beteiligte sich an der Entwicklung der Chromolithografie, die einen seriellen Farbdruck ermöglichte. In der neuen Fabrik in Bockenheim begann er Spielkarten und andere Luxuspapiere zu drucken.
Seine Söhne Carl und Paul Dondorf und der Schwager Philipp Jacob Fries übernahmen die Firmenleitung ab 1873. Indes zog die industrielle Revolution in die Druckindustrie ein und auch in der Dondorf‘schen Druckerei arbeitete man nun mit Dampfkraft betriebenen Schnellpressen. Davon zeugt noch heute der ca. 27 Meter hohe Schornstein des Gebäudes. Seit 1870 waren die Luxus- und Gebrauchsspielkarten für das In- und Ausland das Hauptstandbein der Druckerei. Die Karten waren bald in vielen Ländern bekannt und in Gebrauch. Das Sortiment umfasste unter anderem: Skat, Poker, Rommé, Patience-Spielkarten, Whist-Spielkarten, Piquet-Spielkarten, Wahrsage-Karten, Tarock-Karten und Kinder-Spielkarten.
Der noch heute erhaltene viergeschossige Anbau der Fabrik entstand 1890. Volker Rödel beschreibt in seinem Buch "Die Fabrikarchitektur in Frankfurt am Main" den architektonischen Reiz des Gebäudes: "Einseitig durch einen risalitartigen Kopfbau gefasst, öffnet sich die Backsteinfassade in Segmentbogenfenstern zwischen Lisenen, unter dem Traufgesims verbunden durch eine Galerie kleinerer Fenster."
Unterdessen zog sich der einstmalige Gründer des Unternehmens immer mehr in sein Landhaus in Königstein zurück. Dort verbrachte Dondorf die meiste Zeit, hauptsächlich im Sommer. Wie er selbst in seinen Lebenserinnerungen schreibt, genoss er die wohltuende Stille: "während in Frankfurt beständiges Wagengerassel mich stört. Wuchtiges Schlagen von Betten und Möbeln und schreiendes Kreischen, ohrenbetäubend und sinnesverwirrend die Ruhe mir raubt!"
Bernhard Dondorf starb am 13. Juni 1902 mit 93 Jahren in Frankfurt am Main. In seinen Lebenserinnerungen beschreibt er seine letzte Ruhestätte in einer von ihm selbst ausgesuchten Urne in seinem Arbeitszimmer: "Klassisch griechische Vase prangt auf der Höhe des Ofens. Kleine Figuren von Schilling nehmen den Tag u die Nacht! Statuetten von Dürer u Holbein u lieblichen Köpfchen. Viele galvanische Reliefs nach den berühmten Statuen. Und auch die silbernen Väschen, die in Pompeji man fand! Und viele kleine Bildchen gefertigt auch in der Art. Dabei ein großes Ovalschild, das Klimsch bei mir modellierte. Konnte vergoldet einst dienen als herrlicher Schmuck einer Wand! Kopenhagener Vase mit meinem Namen versehen. Und mit griechischen Zeichnungen in Thorwaldens Weise geschmückt. Ist für die Bewahrung der Asche bestimmt nach einstigem Verbrennen. Innen wurde sie künstlich in gleiche zwei Theile getrennt! Glaubte, dass meine Gemahlin mir meinem Beispiel folgen. Aber sie wollte nichts wissen von einem feurigen Tod!"
Shanay Ferrara ist Masterstudentin in Kunstgeschichte und studentische Hilfskraft in der Sammlungskoordination an der Universitätsbibliothek Frankfurt.
Buchholz, Friedhelm: Die wechselvolle Geschichte eines Industriedenkmals. Alte Druckerei Dondorf, Bockenheimer Geschichtsblätter, Bd. 2, Frankfurt am Main 2009.
Dondorf, Bernhard: Bd. 1, Jugend, Königstein. Aberglauben, Glauben, Unglauben. Stern, Burkhardt, Frankfurt am Main 1898.
Dondorf, Bernhard: Bd. 2, Fussreise im Jahr 1829. Haus Klüberstrasse, Frankfurt am Main 1899.
Götz, Konrad und Christian Jansen: "Dondorf, Riesser und die Paulskirche", Frankfurter Allgemeine Zeitung, Nr. 150 (1. Juli 2024).
Rödel, Volker: Fabrikarchitektur in Frankfurt am Main 1774-1924, Frankfurt am Main 1984.
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Die Plattform wurde von der Studiengruppe "sammeln, ordnen, darstellen" am Forschungszentrum für Historische Geisteswissenschaften entwickelt und im Rahmen der Jubiläumsfeierlichkeiten der Goethe-Universität im Jahr 2014 eröffnet. Ihr Aufbau war eng mit der Ausstellung „Ich sehe wunderbare Dinge. 100 Jahre Sammlungen der Goethe-Universität“ verknüpft, die von Oktober 2014 bis Februar 2015 im Museum Giersch der Goethe-Universität zu sehen war. Viele der Objekterzählungen waren auch in der Ausstellung zu lesen und sind im Katalog abgedruckt worden; viele Ausstellungstexte haben wiederum den Weg in die Plattform gefunden. Ebenso wurden die auf der Plattform gezeigten Filme sowie viele der Fotografien eigens für die Ausstellung produziert.
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